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nachvollziehen. Libido darf Jungs Meinung nach nicht exklusiv im se-
xuellen Sinn verstanden werden, sondern gilt ihm viel umfassender als
seelische Energie überhaupt. Als ihm Freud bereits 1910 in Wien sagt:
"Mein lieber Jung, versprechen Sie mir, nie die Sexualtheorie auf-
zugeben. Das ist das Allerwesentlichste. Sehen Sie, wir müssen daraus
ein Dogma machen, ein unerschütterliches Bollwerk", kann Jung nur
mit der Empfindung reagieren: "Es war ein Stoss, der ins Lebensmark
unserer Freundschaft traf. Ich wusste, dass ich mich damit nie würde
abfinden können.
1913 trennt sich Jung endgültig von Freud und der psychoanalyti-
schen Gruppe und geht seinen eigenen Weg. Bereits ein Jahr vorher
erscheint Jungs Auseinandersetzung mit der Lehre Freuds, sein Buch
"Wandlungen und Symbole der Libido", später umgearbeitet in "Sym-
bole der Wandlung". Jungs Wurzeln für die Erkenntnisse seiner Gedan-
ken liegen neben seiner Persönlichkeit in den Studien anderer Kulturen.
Er unternahm mehrere Reisen und Expeditionen zu primitiven Völkern,
um deren Psychologie zu studieren. Dabei stellt er "frappante Analogien
zwischen den Inhalten des Unbewussten eines modernen Europäers und
gewissen Manifestationen der primitiven Psyche und ihrer Mythen- und
Sagenwelt" fest. Er dehnt die ethnologischen religionspsychologischen
Forschungen weiter aus und wendet sich der philosophischen und reli-
giösen Symbolik des Fernen Ostens zu.
In diese Zeit fällt die Begegnung mit dem Sinologen Richard
Wilhelm, dem Direktor des Frankfurter China-Institutes. Gemeinsam
publizieren sie 1930 einen alten taoistischen Text, "Das Geheimnis der
goldenen Blüte". Ebenso kommt es zur Zusammenarbeit mit dem deut-
schen Indologen Heinrich Zimmer und dem ungarischen Mythenfor-
scher Karl Kerényi. Die Deutsche Gesellschaft für Psychotherapie wird
mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten nach deren Prinzipien
reorganisiert. Ihr Präsident, Ernst Kretschmer tritt von seinem Posten
zurück. Eine internationale Gesellschaft für Psychotherapie wird auf
Jungs Impuls hin gegründet und Jung fungiert als deren Präsident. Er
versteht seine Rolle als Beschützer und Helfer verfolgter deutscher Psy-
chologen. Aber es wird ihm Antisemitismus vorgeworfen. Die Anklage
stützte sich auf Zitate aus Jungs Artikel "Zur gegenwärtigen Lage der
Psychotherapie" aus dem Jahre 1934. Auch in andern Artikeln sind
zweideutige Aussagen zu finden. In den 40er Jahren erfährt Jung breite
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Anerkennung diverser akademischer Kreise. Ehrendoktorate und die
Berufung als ordentlicher Professor für Medizin mit besonderer Be-
rücksichtigung der Psychotherapie der Universität Basel gehören zu den
davon zeugenden Auszeichnungen. Wegen schwerer Krankheit tritt
Jung jedoch nach zwei drei Vorlesungen von seinem Amt zurück. Er
entwickelt nach langer Selbstversenkung die Analytische Psychologie,
die auch heute noch viele Interessenten hat.
_________________________________________________________
Das weltweite Vorkommen ähnlicher Märchenmotive (Hexen,
Drachen, Höhlen, Zauberer, magische Fähigkeiten wie Fliegen, Verlust
von Vertrautem, Rätselaufgaben, um erlöst zu werden etc.), die C. G.
Jung noch als Teil eines "kollektiven Unterbewussten" gedeutet hat,
kann die moderne Säuglingsforschung (Alison Gopnik, Daniel N. Stern,
Martin Dornes et al.) exakter erklären. So sieht das Baby in den ersten
Monaten nur im Bereich von zirka 20 bis 25 Zentimetern scharf, das üb-
rige Blickfeld ist in ein rundes, unscharfes Hell-Dunkel getaucht – wie in
einer Höhle mit Lichtreflexen. Wird ein noch nicht gehfähiger Säugling
getragen, so hat er Reit- und Flugerlebnisse. Um den fünften Monat
kommt es zu einer dramatischen Veränderung. Die Sehschärfe weitet
sich, das Kind beginnt, auch entfernte Objekte und Details zu erkennen;
insbesondere an seiner Mutter: deren Gesicht, Figur und Augen. Das Ba-
by muß sich also von der bislang unscharfen und primär greifbaren "al-
ten" Mutter trennen, um gleichsam seine "neue Mutter" zu entdecken.
Diese Trennung erzeugt Angstgefühle, ist auch ein Kampf.
Überhaupt lebt das Baby in den ersten Monaten "wie in einer endlosen
Zaubervorführung", so Alison Gopnik in ihrem Buch "Forschergeist in
Windeln". Nach etwa 18 Monaten ist diese vorsprachliche, "magische"
Phase abgeschlossen und versickert in den Kanälen unseres Unterbe-
wusstseins, lebt aber in unseren Träumen fort, auch als Erinnerung an
ein Land, in dem man fliegen konnte und wo Dinge von einem Ort zum
anderen zu wirbeln schienen, wenn sie nicht gerade auf unerklärliche
Weise verschwanden. Es bleibt aber auch die Erinnerung an einen Ort
der Finsternis zurück, an die Angst vor der Dunkelheit, in der Kämpfe
überstanden werden mussten. Gegen Ende des zweiten Lebensjahres
beginnt die Logik der: Sprache, auch die Ge- und Verbotswelt der El-
tern, die Wahrnehmung des Kindes stärker zu bestimmen.
nachvollziehen. Libido darf Jungs Meinung nach nicht exklusiv im se- Anerkennung diverser akademischer Kreise. Ehrendoktorate und die xuellen Sinn verstanden werden, sondern gilt ihm viel umfassender als Berufung als ordentlicher Professor für Medizin mit besonderer Be- seelische Energie überhaupt. Als ihm Freud bereits 1910 in Wien sagt: rücksichtigung der Psychotherapie der Universität Basel gehören zu den "Mein lieber Jung, versprechen Sie mir, nie die Sexualtheorie auf- davon zeugenden Auszeichnungen. Wegen schwerer Krankheit tritt zugeben. Das ist das Allerwesentlichste. Sehen Sie, wir müssen daraus Jung jedoch nach zwei drei Vorlesungen von seinem Amt zurück. Er ein Dogma machen, ein unerschütterliches Bollwerk", kann Jung nur entwickelt nach langer Selbstversenkung die Analytische Psychologie, mit der Empfindung reagieren: "Es war ein Stoss, der ins Lebensmark die auch heute noch viele Interessenten hat. unserer Freundschaft traf. Ich wusste, dass ich mich damit nie würde _________________________________________________________ abfinden können. Das weltweite Vorkommen ähnlicher Märchenmotive (Hexen, 1913 trennt sich Jung endgültig von Freud und der psychoanalyti- Drachen, Höhlen, Zauberer, magische Fähigkeiten wie Fliegen, Verlust schen Gruppe und geht seinen eigenen Weg. Bereits ein Jahr vorher von Vertrautem, Rätselaufgaben, um erlöst zu werden etc.), die C. G. erscheint Jungs Auseinandersetzung mit der Lehre Freuds, sein Buch Jung noch als Teil eines "kollektiven Unterbewussten" gedeutet hat, "Wandlungen und Symbole der Libido", später umgearbeitet in "Sym- kann die moderne Säuglingsforschung (Alison Gopnik, Daniel N. Stern, bole der Wandlung". Jungs Wurzeln für die Erkenntnisse seiner Gedan- Martin Dornes et al.) exakter erklären. So sieht das Baby in den ersten ken liegen neben seiner Persönlichkeit in den Studien anderer Kulturen. Monaten nur im Bereich von zirka 20 bis 25 Zentimetern scharf, das üb- Er unternahm mehrere Reisen und Expeditionen zu primitiven Völkern, rige Blickfeld ist in ein rundes, unscharfes Hell-Dunkel getaucht – wie in um deren Psychologie zu studieren. Dabei stellt er "frappante Analogien einer Höhle mit Lichtreflexen. Wird ein noch nicht gehfähiger Säugling zwischen den Inhalten des Unbewussten eines modernen Europäers und getragen, so hat er Reit- und Flugerlebnisse. Um den fünften Monat gewissen Manifestationen der primitiven Psyche und ihrer Mythen- und kommt es zu einer dramatischen Veränderung. Die Sehschärfe weitet Sagenwelt" fest. Er dehnt die ethnologischen religionspsychologischen sich, das Kind beginnt, auch entfernte Objekte und Details zu erkennen; Forschungen weiter aus und wendet sich der philosophischen und reli- insbesondere an seiner Mutter: deren Gesicht, Figur und Augen. Das Ba- giösen Symbolik des Fernen Ostens zu. by muß sich also von der bislang unscharfen und primär greifbaren "al- In diese Zeit fällt die Begegnung mit dem Sinologen Richard ten" Mutter trennen, um gleichsam seine "neue Mutter" zu entdecken. Wilhelm, dem Direktor des Frankfurter China-Institutes. Gemeinsam Diese Trennung erzeugt Angstgefühle, ist auch ein Kampf. publizieren sie 1930 einen alten taoistischen Text, "Das Geheimnis der Überhaupt lebt das Baby in den ersten Monaten "wie in einer endlosen goldenen Blüte". Ebenso kommt es zur Zusammenarbeit mit dem deut- Zaubervorführung", so Alison Gopnik in ihrem Buch "Forschergeist in schen Indologen Heinrich Zimmer und dem ungarischen Mythenfor- Windeln". Nach etwa 18 Monaten ist diese vorsprachliche, "magische" scher Karl Kerényi. Die Deutsche Gesellschaft für Psychotherapie wird Phase abgeschlossen und versickert in den Kanälen unseres Unterbe- mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten nach deren Prinzipien wusstseins, lebt aber in unseren Träumen fort, auch als Erinnerung an reorganisiert. Ihr Präsident, Ernst Kretschmer tritt von seinem Posten ein Land, in dem man fliegen konnte und wo Dinge von einem Ort zum zurück. Eine internationale Gesellschaft für Psychotherapie wird auf anderen zu wirbeln schienen, wenn sie nicht gerade auf unerklärliche Jungs Impuls hin gegründet und Jung fungiert als deren Präsident. Er Weise verschwanden. Es bleibt aber auch die Erinnerung an einen Ort versteht seine Rolle als Beschützer und Helfer verfolgter deutscher Psy- der Finsternis zurück, an die Angst vor der Dunkelheit, in der Kämpfe chologen. Aber es wird ihm Antisemitismus vorgeworfen. Die Anklage überstanden werden mussten. Gegen Ende des zweiten Lebensjahres stützte sich auf Zitate aus Jungs Artikel "Zur gegenwärtigen Lage der beginnt die Logik der: Sprache, auch die Ge- und Verbotswelt der El- Psychotherapie" aus dem Jahre 1934. Auch in andern Artikeln sind tern, die Wahrnehmung des Kindes stärker zu bestimmen. zweideutige Aussagen zu finden. In den 40er Jahren erfährt Jung breite 145 146
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