Моя специальность - психология. Mein Fach Psychologie. Ласковец Е.В. - 72 стр.

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kommt zum Schluss, dass anscheinend nicht einmal der Pfarrer um das
Gottesgeheimnis weiss, denn sonst würde er es nicht wagen, dieses so
öffentlich weiterzugeben und "die unsäglichen Gefühle mit abge-
schmackten Sentimentalitäten zu profanieren".
Die intensive Auseinandersetzung mit inneren Ereignissen seines
Lebens, gibt Jung über weite Strecken seines Weges das Gefühl grosser
Einsamkeit. Das Wissen um innerseelische geheimnisvolle Vorgänge, die
die Spielkameraden anscheinend nicht kennen, bewirkt, dass Jung sich
bereits als Kind als Outsider empfindet. Zeitweilig wird die Beschäfti-
gung mit den inneren Erfahrungen so intensiv, dass sie zu Depressionen
führt, die erst nachlassen, als er sich um eine bewusste Realitätserfassung
bemüht. "Meine ganze Jugend kann unter dem Begriff des Geheimnisses
verstanden werden. Ich kam dadurch in eine fast unerträgliche Einsam-
keit, und ich sehe es heute als eine grosse Leistung an, dass ich der Ver-
suchung widerstand, mit jemandem davon zu sprechen. So war damals
schon eine Beziehung zur Welt vorgebildet, wie sie heute ist: auch heute
bin ich einsam, weil ich Dinge weiss und andeuten muss, die die anderen
nicht wissen und meistens auch gar nicht wissen wollen", sagt er in seiner
Autobiographie im Alter von über 80 Jahren.
1895, also im Alter von zwanzig Jahren, beginnt Jung sein Studi-
um an der Universität Basel. Nach langen unsicheren Überlegungen, in
denen er zwischen Natur- und Geisteswissenschaft schwankt, entschei-
det er sich für Medizin weil dieser Studiengang naturwissenschaftliche
Fächer, gleichzeitig aber auch vielfältige Möglichkeiten wissenschaftli-
cher Betätigung offenlässt. Ein halbes Jahr nach Studienbeginn stirbt
der Vater, was für die Familie schwerwiegende finanzielle Probleme
mit sich bringt. In der Folge wird Jung zum Familienoberhaupt und
bringt dank verwandschhaftlicher Unterstützung und einer Unterassi-
stentenstelle Mutter und Schwester durchs Leben. Ab Ende des zweiten
Semesters beginnt er sich mit spiritistischer Literatur zu beschäftigen.
Später nimmt er an Séancen teil. Das Medium, Helene Preiswerk, war
gerade fünfzehn Jahre alte und stammte aus Jungs. Die Aufzeichnungen
über diese Versuche inspirieren Jung dazu, seine Dissertation zum
Thema "Zur Psychologie und Pathologie sogenannter okkulter Phäno-
mene" zu schreiben. Das Mädchen setzt er dabei als Instrument ein.
Über ihre Erlebnisse wird später ein Buch veröffentlicht. Im Anschluss
an sein Studium wird Jung Assistent an der Psychiatrischen Universi-
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tätsklinik Zürich. Sein Lehrer ist Eugen Bleuler, Professor für Psychia-
trie. Ausschlag für die Wahl dieser Fachdisziplin gibt während der Vor-
bereitung auf das Staatsexamen die Einführung im "Lehrbuch der
Psychiatrie" von Krafft-Ebing. Die Psychose, eine "Krankheit der Per-
son" – so Krafft-Ebing -, steht in ihrer Erforschung und Behandlung
immer in engem Zusammenhang mit der Persönlichkeit des Arztes und
der Objektivität seiner Erfahrungen." Dieser Gedanke zieht Jung in sei-
nen Bann. 1902 hört er ein Semester bei Pierre Janet in Paris, um seine
Kenntnisse in der Psychopathologie zu vertiefen. Anschliessend geht er
wieder an die Burghölzli-Klinik unter Leitung von Bleuler. 1903 heira-
tet er Emma Rauschenbach, die Tochter eines Industriellen aus Schaff-
hausen. Zur Familie gehören später ein Sohn und vier Töchter. Die wis-
senschaftlichen Untersuchungen an der Klinik führen nach einem Jahr
zur Publikation über eine von Jung eingeführte Methode, das "Assozia-
tions-Experiment".
1905 kann er sich habilitieren und ausserdem die Funktion eines
Oberarztes übernehmen. Er wird im gleichen Jahr Privatdozent für
Psychiatrie an der Universität Zürich und es folgen vielfältige Einla-
dungen zu Vorlesungen im Ausland, insbesondere in den USA. Im Lau-
fe seines Lebens erhält Jung mehrere Ehrendoktorate. Ab 1909 unterhält
er neben allen Verpflichtungen eine Privatpraxis in seinem Haus in
Küsnacht am Zürichsee, seine Kliniktätigkeit gibt er zugunsten dieser
Praxis auf.
In das Jahr 1907 fällt die erste persönliche Begegnung mit dem
um 19 Jahre älteren Sigmund Freud, ausgelöst durch die Lektüre des
Buches "Die Traumdeutung". Sie führt zu einer tiefen Beschäftigung
mit den Lehren der Psychoanalyse, die Jung auf dem Wege seiner bis-
herigen Forschungen und Ergebnisse innerhalb der experimentellen
Psychopathologie entscheidend bestätigt. Das Bekenntnis zu dieser Be-
schäftigung mit den damals äusserst umstrittenen Gedanken Freuds ist
im Hinblick auf die wissenschaftliche Öffentlichkeit gewagt, doch Jung
nimmt das Risiko auf sich. Freuds Wertschätzung gegenüber Jung geht
so weit, dass er ihn "förmlich als ältesten Sohn adoptierte" und in ihm
damit seinen "Nachfolger und Kronprinzen" sieht. Die Eigenständigkeit
der Jungschen Gedankenwelt führt jedoch bald zu Differenzen mit
Freud und schliesslich zum Bruch. Insbesondere kann Jung die Beto-
nung und Verabsolutierung des Freudschen Libido-Verständnisses nicht
kommt zum Schluss, dass anscheinend nicht einmal der Pfarrer um das           tätsklinik Zürich. Sein Lehrer ist Eugen Bleuler, Professor für Psychia-
Gottesgeheimnis weiss, denn sonst würde er es nicht wagen, dieses so          trie. Ausschlag für die Wahl dieser Fachdisziplin gibt während der Vor-
öffentlich weiterzugeben und "die unsäglichen Gefühle mit abge-               bereitung auf das Staatsexamen die Einführung im "Lehrbuch der
schmackten Sentimentalitäten zu profanieren".                                 Psychiatrie" von Krafft-Ebing. Die Psychose, eine "Krankheit der Per-
       Die intensive Auseinandersetzung mit inneren Ereignissen seines        son" – so Krafft-Ebing -, steht in ihrer Erforschung und Behandlung
Lebens, gibt Jung über weite Strecken seines Weges das Gefühl grosser         immer in engem Zusammenhang mit der Persönlichkeit des Arztes und
Einsamkeit. Das Wissen um innerseelische geheimnisvolle Vorgänge, die         der Objektivität seiner Erfahrungen." Dieser Gedanke zieht Jung in sei-
die Spielkameraden anscheinend nicht kennen, bewirkt, dass Jung sich          nen Bann. 1902 hört er ein Semester bei Pierre Janet in Paris, um seine
bereits als Kind als Outsider empfindet. Zeitweilig wird die Beschäfti-       Kenntnisse in der Psychopathologie zu vertiefen. Anschliessend geht er
gung mit den inneren Erfahrungen so intensiv, dass sie zu Depressionen        wieder an die Burghölzli-Klinik unter Leitung von Bleuler. 1903 heira-
führt, die erst nachlassen, als er sich um eine bewusste Realitätserfassung   tet er Emma Rauschenbach, die Tochter eines Industriellen aus Schaff-
bemüht. "Meine ganze Jugend kann unter dem Begriff des Geheimnisses           hausen. Zur Familie gehören später ein Sohn und vier Töchter. Die wis-
verstanden werden. Ich kam dadurch in eine fast unerträgliche Einsam-         senschaftlichen Untersuchungen an der Klinik führen nach einem Jahr
keit, und ich sehe es heute als eine grosse Leistung an, dass ich der Ver-    zur Publikation über eine von Jung eingeführte Methode, das "Assozia-
suchung widerstand, mit jemandem davon zu sprechen. So war damals             tions-Experiment".
schon eine Beziehung zur Welt vorgebildet, wie sie heute ist: auch heute             1905 kann er sich habilitieren und ausserdem die Funktion eines
bin ich einsam, weil ich Dinge weiss und andeuten muss, die die anderen       Oberarztes übernehmen. Er wird im gleichen Jahr Privatdozent für
nicht wissen und meistens auch gar nicht wissen wollen", sagt er in seiner    Psychiatrie an der Universität Zürich und es folgen vielfältige Einla-
Autobiographie im Alter von über 80 Jahren.                                   dungen zu Vorlesungen im Ausland, insbesondere in den USA. Im Lau-
       1895, also im Alter von zwanzig Jahren, beginnt Jung sein Studi-       fe seines Lebens erhält Jung mehrere Ehrendoktorate. Ab 1909 unterhält
um an der Universität Basel. Nach langen unsicheren Überlegungen, in          er neben allen Verpflichtungen eine Privatpraxis in seinem Haus in
denen er zwischen Natur- und Geisteswissenschaft schwankt, entschei-          Küsnacht am Zürichsee, seine Kliniktätigkeit gibt er zugunsten dieser
det er sich für Medizin weil dieser Studiengang naturwissenschaftliche        Praxis auf.
Fächer, gleichzeitig aber auch vielfältige Möglichkeiten wissenschaftli-             In das Jahr 1907 fällt die erste persönliche Begegnung mit dem
cher Betätigung offenlässt. Ein halbes Jahr nach Studienbeginn stirbt         um 19 Jahre älteren Sigmund Freud, ausgelöst durch die Lektüre des
der Vater, was für die Familie schwerwiegende finanzielle Probleme            Buches "Die Traumdeutung". Sie führt zu einer tiefen Beschäftigung
mit sich bringt. In der Folge wird Jung zum Familienoberhaupt und             mit den Lehren der Psychoanalyse, die Jung auf dem Wege seiner bis-
bringt dank verwandschhaftlicher Unterstützung und einer Unterassi-           herigen Forschungen und Ergebnisse innerhalb der experimentellen
stentenstelle Mutter und Schwester durchs Leben. Ab Ende des zweiten          Psychopathologie entscheidend bestätigt. Das Bekenntnis zu dieser Be-
Semesters beginnt er sich mit spiritistischer Literatur zu beschäftigen.      schäftigung mit den damals äusserst umstrittenen Gedanken Freuds ist
Später nimmt er an Séancen teil. Das Medium, Helene Preiswerk, war            im Hinblick auf die wissenschaftliche Öffentlichkeit gewagt, doch Jung
gerade fünfzehn Jahre alte und stammte aus Jungs. Die Aufzeichnungen          nimmt das Risiko auf sich. Freuds Wertschätzung gegenüber Jung geht
über diese Versuche inspirieren Jung dazu, seine Dissertation zum             so weit, dass er ihn "förmlich als ältesten Sohn adoptierte" und in ihm
Thema "Zur Psychologie und Pathologie sogenannter okkulter Phäno-             damit seinen "Nachfolger und Kronprinzen" sieht. Die Eigenständigkeit
mene" zu schreiben. Das Mädchen setzt er dabei als Instrument ein.            der Jungschen Gedankenwelt führt jedoch bald zu Differenzen mit
Über ihre Erlebnisse wird später ein Buch veröffentlicht. Im Anschluss        Freud und schliesslich zum Bruch. Insbesondere kann Jung die Beto-
an sein Studium wird Jung Assistent an der Psychiatrischen Universi-          nung und Verabsolutierung des Freudschen Libido-Verständnisses nicht
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