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gekleideten und finster blickenden Männern, die eine schwarze Kiste
trugen, begleitet wurde: "Ich fing an, dem her Jesus zu misstrauen."
Dem Jungen gelingt es auch später trotz aller Bemühungen nicht, ein
positives Verhältnis zum verkündigten Jesus Christus der Kirche zu
gewinnen. Der Religionsunterrricht langweilt ihn, und in die Kirche
geht er – mit Ausnahme am Weihnachtstag – höchst ungern.
Demgegenüber fasziniert ihn die Welt der Natur: Pflanzen, Tiere
Steine – die Welt des Geheimnisvollen. Der vierjährige Carl Gustav
zieht 1879 mit seiner Familie nach Kleinhüningen, das damals noch ein
Dorf am Rande von Basel war. Als er neun Jahre alt ist, wird seine
Schwester Gertrud geboren, eine Tatsache, die sein Misstrauen gegenü-
ber den Eltern verstärkt, denn er hatte vom Verlauf der Schwanger-
schaft nichts bemerkt, und seine anschliessenden Fragen werden mit der
unglaubwürdigen Geschichte vom Storch, der das Kind gebracht habe,
beantwortet. Mit elf Jahren fängt für den Jungen die Gymnasialzeit in
Basel an. Anstelle der ländlichen Spielgenossen tritt die Bekanntschaft
mit Kindern aus der sogenannten "grossen Welt". Jung erkennt die Ar-
mut seiner Familie, und das verändert den Blick für die Sorgen und
Kümmernisse seiner Eltern. Zur gleichen Zeit beginnt ihn die Gottes-
frage zu interessieren. Gott verbindet sich langsam mit seiner Welt des
Geheimnisvollen. Ein weiteres Erlebnis im zwölften Lebensjahr eröff-
net dem Jungen eine Erkenntnis, die ihn sein Leben lang prägen und
begleiten wird. Während er auf einen Schulkameraden wartet, wird er
von einem anderen Jungen gestossen, so dass er unglücklich mit dem
Kopf auf den Randstein des Trottoirs fällt. Ohnmachtsanfälle sind die
Folge, die insbesondere auftreten, als er wieder in die mit Langeweile
und Angst besetzte Schule gehen soll. Aufgrund der rätselhaften
Krankheit bleibt er nun länger als ein halbes Jahr dem schulischen Le-
ben fern und widmet sich in der freien Zeit der viel interessanteren Welt
des Geheimnisvollen, der Natur und der Bibliothek des Vaters.
Plötzlich aber wird ihm bewusst, dass er mit seinem Verhalten
vor sich selbst und vor den Anforderungen der Wirklichkeit flieht. Die-
se Erkenntnis macht ihn zu einem ernsthaften Kind, das von da an kon-
zentriert lernt und zu einem guten Schüler wird. Etwas später wird ihm
die Ahnung zu Gewissheit, in Wirklichkeit zwei verschiedene Personen
zu sein. die eine Persönlichkeit – so der Eindruck des Jungen, ist für die
Wirklichkeitserfahrung der Aussenwelt zuständig, während die andere
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Persönlichkeit mit Weisheit und Reife eine zentrale Rolle spielt. Dieser
Persönlichkeit gibt Jung in seinem Leben schliesslich den Vorrang. Al-
lerdings hat sie wenig mit den Vorstellungen kirchlicher Frömmigkeit
zu tun und steht gar im Widerspruch derselben. An einem schönen
Sommertag drängt sich dem zwölfjährigen Jungen, der in Basel vor dem
Münster steht, plötzlich ein angstvoller Gedanke auf. Er hat den Ein-
druck, nicht weiterdenken zu dürfen, weil sonst etwas Furchtbares ge-
schehe. Vielleicht begehe er die Sünde wider den Heiligen Geist und
wäre damit auf ewig in die Hölle verbannt. All seine Bemühungen rich-
tet er krampfhaft darauf, nicht an den lieben Gott und das schöne Mün-
ster zu denken. Diese Spannung hält er zwei Tage lang aus, sogar ohne
den Eltern etwas zu erzählen, in der dritten Nacht jedoch wird die Qual
so gross, dass er sich trotz aller Angst entschliesst, den Gedanken zu
Ende zu denken, er fühlt sich von ihm überwältigt: "Ich fasste allen Mut
zusammen, wie wenn ich in das Höllenfeuer zu springen hätte, und liess
den Gedanken kommen: Vor meinen Augen stand das schöne Münster,
darüber der blaue Himmel, Gott sitzt auf goldenem Thron, hoch über
der Welt, und unter dem Thron fällt ein ungeheures Exkrement auf das
neue bunte Kirchendach, zerschmettert es und bricht die Kirchenwände
auseinander. Das war es also. Ich spürte eine ungeheure Erleichterung
und eine unbeschreibliche Erlösung. An Stelle der erwarteten Ver-
dammnis war Gnade über mich gekommen und damit eine unaussprech-
liche Seligkeit, wie ich sie nie gekannt hatte. Ich weinte vor Glück und
Dankbarkeit, dass sich mir Weisheit und Güte Gottes enthüllt hatten,
nachdem ich Seiner unerbittlichen Strenge erlegen war. Das gab mir das
Gefühl, eine Erleuchtung erlebt zu haben."
Der Konfirmationsunterricht des Vaters ist ihm masslos langwei-
lig, und die für den Sohn einzig interessante Frage nach der Dreieinig-
keit Gottes übergeht jener mit dem Hinweis, davon verstehe er selbst
nichts. Diskussionen, die der erwachsene Sohn später mit seinem in
Glaubenszweifel verstrickten, gesundheitlich schwachen Vater hat, füh-
ren zu keiner für beide Seiten hilfreichen Auseinandersetzung. Die Di-
stanz zur kirchlichen Theologie vergrössert sich. Die Art, in der in der
Kirche von Gott gepredigt wird, empfindet er als schamlos, weil dort in
aller Öffentlichkeit der Wille Gottes verkündet wird, ohne Rücksicht
darauf zu nehmen, dass das Geheimnis der Gottesoffenbarung in den
persönlichen Bereich innerster und innigster Gewissheit gehört. Jung
gekleideten und finster blickenden Männern, die eine schwarze Kiste Persönlichkeit mit Weisheit und Reife eine zentrale Rolle spielt. Dieser trugen, begleitet wurde: "Ich fing an, dem her Jesus zu misstrauen." Persönlichkeit gibt Jung in seinem Leben schliesslich den Vorrang. Al- Dem Jungen gelingt es auch später trotz aller Bemühungen nicht, ein lerdings hat sie wenig mit den Vorstellungen kirchlicher Frömmigkeit positives Verhältnis zum verkündigten Jesus Christus der Kirche zu zu tun und steht gar im Widerspruch derselben. An einem schönen gewinnen. Der Religionsunterrricht langweilt ihn, und in die Kirche Sommertag drängt sich dem zwölfjährigen Jungen, der in Basel vor dem geht er – mit Ausnahme am Weihnachtstag – höchst ungern. Münster steht, plötzlich ein angstvoller Gedanke auf. Er hat den Ein- Demgegenüber fasziniert ihn die Welt der Natur: Pflanzen, Tiere druck, nicht weiterdenken zu dürfen, weil sonst etwas Furchtbares ge- Steine – die Welt des Geheimnisvollen. Der vierjährige Carl Gustav schehe. Vielleicht begehe er die Sünde wider den Heiligen Geist und zieht 1879 mit seiner Familie nach Kleinhüningen, das damals noch ein wäre damit auf ewig in die Hölle verbannt. All seine Bemühungen rich- Dorf am Rande von Basel war. Als er neun Jahre alt ist, wird seine tet er krampfhaft darauf, nicht an den lieben Gott und das schöne Mün- Schwester Gertrud geboren, eine Tatsache, die sein Misstrauen gegenü- ster zu denken. Diese Spannung hält er zwei Tage lang aus, sogar ohne ber den Eltern verstärkt, denn er hatte vom Verlauf der Schwanger- den Eltern etwas zu erzählen, in der dritten Nacht jedoch wird die Qual schaft nichts bemerkt, und seine anschliessenden Fragen werden mit der so gross, dass er sich trotz aller Angst entschliesst, den Gedanken zu unglaubwürdigen Geschichte vom Storch, der das Kind gebracht habe, Ende zu denken, er fühlt sich von ihm überwältigt: "Ich fasste allen Mut beantwortet. Mit elf Jahren fängt für den Jungen die Gymnasialzeit in zusammen, wie wenn ich in das Höllenfeuer zu springen hätte, und liess Basel an. Anstelle der ländlichen Spielgenossen tritt die Bekanntschaft den Gedanken kommen: Vor meinen Augen stand das schöne Münster, mit Kindern aus der sogenannten "grossen Welt". Jung erkennt die Ar- darüber der blaue Himmel, Gott sitzt auf goldenem Thron, hoch über mut seiner Familie, und das verändert den Blick für die Sorgen und der Welt, und unter dem Thron fällt ein ungeheures Exkrement auf das Kümmernisse seiner Eltern. Zur gleichen Zeit beginnt ihn die Gottes- neue bunte Kirchendach, zerschmettert es und bricht die Kirchenwände frage zu interessieren. Gott verbindet sich langsam mit seiner Welt des auseinander. Das war es also. Ich spürte eine ungeheure Erleichterung Geheimnisvollen. Ein weiteres Erlebnis im zwölften Lebensjahr eröff- und eine unbeschreibliche Erlösung. An Stelle der erwarteten Ver- net dem Jungen eine Erkenntnis, die ihn sein Leben lang prägen und dammnis war Gnade über mich gekommen und damit eine unaussprech- begleiten wird. Während er auf einen Schulkameraden wartet, wird er liche Seligkeit, wie ich sie nie gekannt hatte. Ich weinte vor Glück und von einem anderen Jungen gestossen, so dass er unglücklich mit dem Dankbarkeit, dass sich mir Weisheit und Güte Gottes enthüllt hatten, Kopf auf den Randstein des Trottoirs fällt. Ohnmachtsanfälle sind die nachdem ich Seiner unerbittlichen Strenge erlegen war. Das gab mir das Folge, die insbesondere auftreten, als er wieder in die mit Langeweile Gefühl, eine Erleuchtung erlebt zu haben." und Angst besetzte Schule gehen soll. Aufgrund der rätselhaften Der Konfirmationsunterricht des Vaters ist ihm masslos langwei- Krankheit bleibt er nun länger als ein halbes Jahr dem schulischen Le- lig, und die für den Sohn einzig interessante Frage nach der Dreieinig- ben fern und widmet sich in der freien Zeit der viel interessanteren Welt keit Gottes übergeht jener mit dem Hinweis, davon verstehe er selbst des Geheimnisvollen, der Natur und der Bibliothek des Vaters. nichts. Diskussionen, die der erwachsene Sohn später mit seinem in Plötzlich aber wird ihm bewusst, dass er mit seinem Verhalten Glaubenszweifel verstrickten, gesundheitlich schwachen Vater hat, füh- vor sich selbst und vor den Anforderungen der Wirklichkeit flieht. Die- ren zu keiner für beide Seiten hilfreichen Auseinandersetzung. Die Di- se Erkenntnis macht ihn zu einem ernsthaften Kind, das von da an kon- stanz zur kirchlichen Theologie vergrössert sich. Die Art, in der in der zentriert lernt und zu einem guten Schüler wird. Etwas später wird ihm Kirche von Gott gepredigt wird, empfindet er als schamlos, weil dort in die Ahnung zu Gewissheit, in Wirklichkeit zwei verschiedene Personen aller Öffentlichkeit der Wille Gottes verkündet wird, ohne Rücksicht zu sein. die eine Persönlichkeit – so der Eindruck des Jungen, ist für die darauf zu nehmen, dass das Geheimnis der Gottesoffenbarung in den Wirklichkeitserfahrung der Aussenwelt zuständig, während die andere persönlichen Bereich innerster und innigster Gewissheit gehört. Jung 141 142
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