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Kö nig Blaubart, kennt man ja. „Der fremde Ritter nämlich hatte einen ganz blauen Bart,
und vor dem hatte sie ein Grauen, und es ward ihr unheimlich zumut, sooft sie ihn ansah. “
Hätte sie man auf ihr Gefü hl gehö rt. Aber der hat ihr einen Blaufuchs geschenkt, da hat sie
gedacht, so einer kann nicht lügen, und da ist sie weich in den Knien geworden. Das hier
kostet Sie aber ein paar blaue Lappen, die wollen erstmal verdient sein. Wenn schon. Fur
die Reinschrift verwenden wir immer blaue Tinte. Aber zuerst stellen Sie mir bitte eine
Blaupause her, bei so einem Projekt will man ja keinen Schuß ins Blaue hinein machen.
Doch mancher schießt ins Blaue und trifft ins Schwarze.
Früher hatten wir in zwei Stunden die Milchkanne voll Blaubeeren. Und nachmittags war
der Kuchen schon fertig. Karpfen blau zu Neujahr? Niemals. Karpfen in Biersoße, so gehö rt
sich das. Und Forelle blau ist was fü r feine Leute. Blau ist einfach keine Farbe fü r Eßwaren.
Mehr für Blumen. Veilchen, zum Beispiel. Ein Veilchen auf der Wiese stand, gebü ckt in
sich und unbekannt, es war ein herzig's Veilchen. Blaukraut, im Süden, na meinetwegen.
Und blauen Likö r, den gibt's ja wohl. Curaçao, oder wie der heißt. Und Käse, der sich Blue
Master nennt, mit Schimmel drin, nichts für mich. Aber wie man blaue Kartoffeln züchten
und die dann „blaue Maus“ nennen kann, wird mir ewig unbegreiflich bleiben. So was
Unnatü rliches.
Blau, Pablo, ist die Farbe der Sehnsucht. Haben Sie das gemeint? Frü hling läßt sein
blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. Die blauen Hügel in der blauen Ferne. Auf zu
blauen Horizonten. Blaue Fahnen nach Berlin. Preußisch Blau, Berliner Blau, wichtiges
Blaupigment, aus Eisensulfat und gelbem Blutlaugensalz gewonnen.
Als feiner Strich auf Porzellan. Das tiefe Kobaltblau der gläsernen Vasen, Schalen und
Aschenbecher, Lieblingsfarbe. Tischdecken mit Blaudruck, alte Muster. EineTechnik, die
ausstirbt.
Einmal im Leben an der blauen Adria sein. О Himmel, strahlender Azur. Der blaue Falter,
der uns vorausflattert. Der blaue Vogel auf dem Vorhang der Kü nstlerin Liessner-Blomberg
fü r das Kabarett der russischen Emigranten im Berlin der zwanziger Jahre. Kandinskys
Blauer Reiter. Franz Marcs Turm der blauen Pferde. Picassos blaue Periode. Die blaue
Stunde zwischen Tag und Traum. Nachtblau.
Taubenblau. Das blaue Licht aus dem Grimmschen Märchenbrunnen, das dem braven,
ungerecht behandelten Soldaten, wenn er seine Pfeife daran anzü ndet, nicht nur
Genugtuung, sondern ein ganzes Königreich verschafft und die Königstochter dazu. Auf
andre Art geht’s nicht. Des Generals Franco Blaue Division im Spanischen Bü rgerkrieg. Die
Europafahne in Blau. Und die Lebensmittelpäckchen, welche die Amerikaner in
Afghanistan abwerfen, neuerdings in Blau, nicht mehr in Gelb, damit sie sich von den
gelben Streubomben, die sie auch abwerfen, unterscheiden. Die blaue Blume dagegen,
Pablo, ein Symbol der deutschen Romantik, eine Erfindung des Freiherrn Friedrich von
Hardenberg, genannt Novalis.
Dessen Romanheld, der Heinrich von Ofterdingen, begegnet ihr im Traum, eine hohe,
lichtblaue Blume, die zunächst an der Quelle stand und ihn mit ihren breiten, glänzenden
Blättern berü hrte.
„... Er sah nichts als die blaue Blume und betrachtete sie lange mit unnennbarer
Zärtlichkeit.“ Und er folgt ihrem Sehnsuchtsbild, und er sieht in ihr „eine Schutzwehr gegen
die Regelmäßigkeit und Gewö hnlichkeit des Lebens“, einen Zauber gegen die Monotonie
des Irdischen. Wer aber schrie vor Freude, als das Blau geboren wurde?
Woran dachten Sie, Pablo. Jetzt weiß ich es: Es waren die Außerirdischen, die vor Freude
schrien, als sie sahen, wie die Erde, der blaue Planet, geboren wurde. (Ch. Wolf)
Text IX
Die Legende lockt in Essen
Eine dreidimensionale Computer-Rekonstruktion des legendären Bernsteinzimmers,
dessen bis heute verschollenes Original von der deutschen Wehrmacht 1941 bei St.
33 Kö nig Blaubart, kennt man ja. „Der fremde Ritter nämlich hatte einen ganz blauen Bart, und vor dem hatte sie ein Grauen, und es ward ihr unheimlich zumut, sooft sie ihn ansah. “ Hätte sie man auf ihr Gefü hl gehö rt. Aber der hat ihr einen Blaufuchs geschenkt, da hat sie gedacht, so einer kann nicht lü gen, und da ist sie weich in den Knien geworden. Das hier kostet Sie aber ein paar blaue Lappen, die wollen erstmal verdient sein. Wenn schon. Fur die Reinschrift verwenden wir immer blaue Tinte. Aber zuerst stellen Sie mir bitte eine Blaupause her, bei so einem Projekt will man ja keinen Schuß ins Blaue hinein machen. Doch mancher schießt ins Blaue und trifft ins Schwarze. Frü her hatten wir in zwei Stunden die Milchkanne voll Blaubeeren. Und nachmittags war der Kuchen schon fertig. Karpfen blau zu Neujahr? Niemals. Karpfen in Bierso ße, so gehö rt sich das. Und Forelle blau ist was fü r feine Leute. Blau ist einfach keine Farbe fü r Eßwaren. Mehr fü r Blumen. Veilchen, zum Beispiel. Ein Veilchen auf der Wiese stand, gebü ckt in sich und unbekannt, es war ein herzig's Veilchen. Blaukraut, im Sü den, na meinetwegen. Und blauen Likö r, den gibt's ja wohl. Curaçao, oder wie der heißt. Und Käse, der sich Blue Master nennt, mit Schimmel drin, nichts fü r mich. Aber wie man blaue Kartoffeln zü chten und die dann „blaue Maus“ nennen kann, wird mir ewig unbegreiflich bleiben. So was Unnatü rliches. Blau, Pablo, ist die Farbe der Sehnsucht. Haben Sie das gemeint? Frü hling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lü fte. Die blauen Hü gel in der blauen Ferne. Auf zu blauen Horizonten. Blaue Fahnen nach Berlin. Preußisch Blau, Berliner Blau, wichtiges Blaupigment, aus Eisensulfat und gelbem Blutlaugensalz gewonnen. Als feiner Strich auf Porzellan. Das tiefe Kobaltblau der gläsernen Vasen, Schalen und Aschenbecher, Lieblingsfarbe. Tischdecken mit Blaudruck, alte Muster. EineTechnik, die ausstirbt. Einmal im Leben an der blauen Adria sein. О Himmel, strahlender Azur. Der blaue Falter, der uns vorausflattert. Der blaue Vogel auf dem Vorhang der Kü nstlerin Liessner-Blomberg fü r das Kabarett der russischen Emigranten im Berlin der zwanziger Jahre. Kandinskys Blauer Reiter. Franz Marcs Turm der blauen Pferde. Picassos blaue Periode. Die blaue Stunde zwischen Tag und Traum. Nachtblau. Taubenblau. Das blaue Licht aus dem Grimmschen Märchenbrunnen, das dem braven, ungerecht behandelten Soldaten, wenn er seine Pfeife daran anzü ndet, nicht nur Genugtuung, sondern ein ganzes Kö nigreich verschafft und die Kö nigstochter dazu. Auf andre Art geht’s nicht. Des Generals Franco Blaue Division im Spanischen B ü rgerkrieg. Die Europafahne in Blau. Und die Lebensmittelpäckchen, welche die Amerikaner in Afghanistan abwerfen, neuerdings in Blau, nicht mehr in Gelb, damit sie sich von den gelben Streubomben, die sie auch abwerfen, unterscheiden. Die blaue Blume dagegen, Pablo, ein Symbol der deutschen Romantik, eine Erfindung des Freiherrn Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis. Dessen Romanheld, der Heinrich von Ofterdingen, begegnet ihr im Traum, eine hohe, lichtblaue Blume, die zunächst an der Quelle stand und ihn mit ihren breiten, glänzenden Blättern berü hrte. „... Er sah nichts als die blaue Blume und betrachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlichkeit.“ Und er folgt ihrem Sehnsuchtsbild, und er sieht in ihr „eine Schutzwehr gegen die Regelmäßigkeit und Gewö hnlichkeit des Lebens“, einen Zauber gegen die Monotonie des Irdischen. Wer aber schrie vor Freude, als das Blau geboren wurde? Woran dachten Sie, Pablo. Jetzt weiß ich es: Es waren die Außerirdischen, die vor Freude schrien, als sie sahen, wie die Erde, der blaue Planet, geboren wurde. (Ch. Wolf) Text IX Die Legende lockt in Essen Eine dreidimensionale Computer-Rekonstruktion des legendären Bernsteinzimmers, dessen bis heute verschollenes Original von der deutschen Wehrmacht 1941 bei St.