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“Der Wasserträger”. Charakteristische Stilzüge seiner Geschichten sind:
indirekte Rede und Widerrede, Pointen, die eher beiläufig und unauffäl-
lig eingeblendet werden. Er verwendet in seinen Redewendungen, Ver-
gleichen und Sätzen die Sprache des Volkes.
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Theodor Weißenborn
Der Hund im Thyssen-Kanal
Es regnete. Die Stadt lag versunken in strähnendem Grau, schwere
Wolkenballen lagerten bleiern über ihrem Häusermeer und verhüllten
den Himmel. Der Wind hatte den Schleier aus Staub und Ruß, der wie
eine Nebeldecke über den Dächern gehangen hatte, tief in die Straßen
hinabgedrückt. Er stob über die Parkplätze, peitschte die Scheiben der
Autos mit Tropfen und Staubkörnern und trieb das schmutzige Naß ril-
lend und quirlend vor sich her über die dampfenden Asphaltbahnen der
Fahrwege. Trotz dem Regen brodelte der Verkehr in den Straßen kaum
weniger lebhaft als gewöhnlich. Aber die hastenden Menschen und die
jagenden Maschinen vermochten nicht, dem Tag auch nur ein weniges
von seiner Trostlosigkeit zu nehmen. In der Halle einer Unterführung,
nicht weit vom Stinnes-Platz, kauerte ein Hund. Er hockte zitternd an
der Kante des Bürgersteigs neben dem Rinnstein und stempelte den Bo-
den mit seinen nassen Pfoten. Er trieb sich schon seit zwei Wochen in
der Nähe des Stinnes-Platzes herum und kauerte in der Halle seit den
frühen Morgenstunden. Am Tage der Eröffnung der Industrieschau war
der Mensch, der es gut mit ihm meinte, mit ihm in die Stadt gekommen.
Der Hund wußte nicht, daß es am ersten Tag jener großen Ausstellung
gewesen war, aber er erinnerte sich an die bunten Tücher, die überall in
der Luft geflattert hatten, an den großen Plätzen und in den mit Men-
schen und stählernen Tieren überfüllten Straßen, und er trug noch den
unaufhörlich gellenden Lärm in den Ohren, der aus den hier und da an
den Hauswänden hängenden Blechkästen gekommen war. In der Nähe
des Stinnes-Platzes hatten sie die Straße überqueren wollen. Da, plötz-
lich war eines der langgestreckten stählernen Tiere auf blitzschnellen
runden Füßen herangeglitten, hatte ein wütendes Geheul ausgestoßen,
mit den Zähnen geknirscht - und den Menschen, der es gut mit ihm
meinte, angefallen und mit dem breiten, silberstarrenden Maul ver-
schlungen.
Darauf hatte es wenige Augenblicke reglos verharrt und war dann
zurückgeschlichen, als ob es seine Tat bereue. Aber aus seinen Fängen
war Blut getropft, und der Mensch, der es gut mit ihm meinte, hatte zu-
sammengekrümmt und friedlich am Boden gelegen, hatte nicht gerufen,
hatte sich nicht bewegt und hatte nur immerzu den Koffer festgehalten.
“Der Wasserträger”. Charakteristische Stilzüge seiner Geschichten sind: Theodor Weißenborn indirekte Rede und Widerrede, Pointen, die eher beiläufig und unauffäl- Der Hund im Thyssen-Kanal lig eingeblendet werden. Er verwendet in seinen Redewendungen, Ver- Es regnete. Die Stadt lag versunken in strähnendem Grau, schwere gleichen und Sätzen die Sprache des Volkes. Wolkenballen lagerten bleiern über ihrem Häusermeer und verhüllten den Himmel. Der Wind hatte den Schleier aus Staub und Ruß, der wie eine Nebeldecke über den Dächern gehangen hatte, tief in die Straßen hinabgedrückt. Er stob über die Parkplätze, peitschte die Scheiben der Autos mit Tropfen und Staubkörnern und trieb das schmutzige Naß ril- lend und quirlend vor sich her über die dampfenden Asphaltbahnen der Fahrwege. Trotz dem Regen brodelte der Verkehr in den Straßen kaum weniger lebhaft als gewöhnlich. Aber die hastenden Menschen und die jagenden Maschinen vermochten nicht, dem Tag auch nur ein weniges von seiner Trostlosigkeit zu nehmen. In der Halle einer Unterführung, nicht weit vom Stinnes-Platz, kauerte ein Hund. Er hockte zitternd an der Kante des Bürgersteigs neben dem Rinnstein und stempelte den Bo- den mit seinen nassen Pfoten. Er trieb sich schon seit zwei Wochen in der Nähe des Stinnes-Platzes herum und kauerte in der Halle seit den frühen Morgenstunden. Am Tage der Eröffnung der Industrieschau war der Mensch, der es gut mit ihm meinte, mit ihm in die Stadt gekommen. Der Hund wußte nicht, daß es am ersten Tag jener großen Ausstellung gewesen war, aber er erinnerte sich an die bunten Tücher, die überall in der Luft geflattert hatten, an den großen Plätzen und in den mit Men- schen und stählernen Tieren überfüllten Straßen, und er trug noch den unaufhörlich gellenden Lärm in den Ohren, der aus den hier und da an den Hauswänden hängenden Blechkästen gekommen war. In der Nähe des Stinnes-Platzes hatten sie die Straße überqueren wollen. Da, plötz- lich war eines der langgestreckten stählernen Tiere auf blitzschnellen runden Füßen herangeglitten, hatte ein wütendes Geheul ausgestoßen, mit den Zähnen geknirscht - und den Menschen, der es gut mit ihm meinte, angefallen und mit dem breiten, silberstarrenden Maul ver- schlungen. Darauf hatte es wenige Augenblicke reglos verharrt und war dann zurückgeschlichen, als ob es seine Tat bereue. Aber aus seinen Fängen war Blut getropft, und der Mensch, der es gut mit ihm meinte, hatte zu- sammengekrümmt und friedlich am Boden gelegen, hatte nicht gerufen, hatte sich nicht bewegt und hatte nur immerzu den Koffer festgehalten. 117 118