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Gleichzeitig waren mit einemmal viele fremde Menschen zusammenge-
laufen, hatten den am Boden Liegenden beiseitegetragen, jemand hatte
ihm den Koffer abgenommen und hatte den Hund, der das nicht zulas-
sen wollte, mit einem Tritt verjagt. Am nächsten Morgen war der ver-
traute Geruch des Menschen, der es gut mit ihm meinte, überdeckt von
Ruß und Benzindünsten, und der Hund war allein in den überall lauern-
den Gefahren. Er kauerte nun verwahrlost und halbverhungert in der
Unterführung, winselte und sah auf die Schuhe der Vorübergehenden.
Gegen Mittag ließ der Regen nach, und er trottete hinaus ins Freie.
Er lief durch Eppendorf, über die Wedauer Straße und kam in das In-
dustrieviertel der Stadt. Er wurde verwirrt durch die hohen Mauern, die
schrillen Geräusche des ihn umtosenden Verkehrs, das Dröhnen der
Maschinen, das in der Luft lag, aber er lief beharrlich weiter. Bei Han-
sen & Co. wußte er ein hohes Gebäude, aus dem jeden Tag um die Mit-
tagszeit viele kleine Menschen mit Mappen auf dem Rücken kamen. Sie
streichelten ihn manchmal und fütterten ihn mit Brot.
Er setzte sich an das eiserne Tor, spähte durch die Gitterstäbe und
wartete, daß man komme und ihm etwas gebe. Der Regen hatte sein Fell
durchnäßt, die Haare klebten, seine Pfoten waren wund und schmutzig.
Er hatte sich sehr verändert. – Da läutete eine Glocke. Die kleinen Men-
schen liefen herbei – aber sie zischten, als sie ihn sahen, trampelten mit
den Füßen auf den Boden, klatschten in die Hände, scheuchten ihn vor
sich her. Sie wollten ihn nicht wiedererkennen. Er zitterte und winselte
in der nassen Kälte und versuchte zu bellen. Da traf ihn ein Stein. Eines
der Kinder hatte ihn geworfen. Er trollte sich aufjaulend ein paar Schrit-
te zurück, begann aber sogleich, sich winselnd und kriechend wieder zu
nähern.
Da schien eine geheime Verschwörung unter den kleinen Menschen
zu entstehen. In stillem Übereinkommen standen sie unbeweglich und
beobachteten ihn aus neugierigen, erwartungsvoll lauernden Augen.
Und dann bückten sie sich jäh und rafften Steine zusammen, so viele,
wie jedes von ihnen in einer Hand fassen konnte. Da begriff er. Im sel-
ben Augenblick machte er kehrt und fing an zu laufen. Und auch die
Meute hinter ihm setzte sich in Bewegung. Er lief und lief auf seinen
wunden Pfoten, Steine prasselten um ihn herum auf das Pflaster, einige
trafen ihn.
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Auf einer Brücke am Thyssen-Kanal stand, an das Pflaster gelehnt,
ein Mann mit einer flachen Mütze und einem blauen Arbeitsanzug. Der
Hund hörte hinter sich das Johlen der Meute und lief in höchster Angst
auf den Mann zu, um bei ihm Schutz zu suchen. Aber der Mann grinste
und stieß das Tier, eben als es an ihm hochspringen wollte, mit einem
schweren Fußtritt unter dem Geländer der Brücke hinweg. Der Hund
jaulte schrill auf und stürzte hinab in das schmutzige, gärende Wasser.
Er schwamm und suchte das Ufer zu erreichen. Er erreichte es auch.
Aber das Ufer war mit einer steilen Betonmauer eingefaßt, an der seine
haltsuchenden Pfoten wieder und wieder abglitten. Die Mauer war sehr
lang. Da sank er zum erstenmal unter.
Er tauchte wieder auf, seine Bewegungen waren matt, einen Augen-
blick lang sah er die Brücke, dann sank er zum zweitenmal unter.
Nach seinem dritten Auftauchen trieb er ruhig an der Oberfläche des
Wassers dahin. Seine verzweifelten Bewegungen hatten aufgehört, das
Wasser um ihn herum hatte sich geglättet, und der Mann auf der Brücke
grinste und zündete sich eine Zigarette an.
Der Strom nahm das Wasser des Kanals auf und trieb den Hund als
ein winziges Knäuel hinaus aus der Stadt, die noch immer unter dem
Schleier von Staub und Ruß begraben lag. Er führte ihn hinweg von den
rauchenden Schloten und trug ihn auf seiner glitzernden Oberfläche si-
cher und geborgen in das Land. In der Nähe von Meggenheim wurde
sein Körper ans Ufer geschwemmt, wo er in einem Binsengebüsch hän-
genblieb. Dicht dabei lag der kleine Kai, auf dem man zu den Fährboo-
ten gelangte. Das Kind des Kahnwächters spielte auf dem Bohlensteg,
erblickte das Tier und sagte zu seinem Vater: “Da! Ein Hund!”
“Er wird aus der Stadt getrieben sein”, erwiderte der Kahnwächter
gleichmütig.
“Armer Hund!” fügte das Kind hinzu. Aber der Hund hörte es nicht
mehr. Mit toten, starr geöffneten Augen hing er in dem Binsengebüsch,
und die Wellen wiegten ihn hin und her, zu derselben Zeit, als der Mann
auf der Brücke des Thyssen-Kanals den fünften Zigarettenstummel ins
Wasser warf und sich zum Gehen wandte.
Gleichzeitig waren mit einemmal viele fremde Menschen zusammenge- Auf einer Brücke am Thyssen-Kanal stand, an das Pflaster gelehnt, laufen, hatten den am Boden Liegenden beiseitegetragen, jemand hatte ein Mann mit einer flachen Mütze und einem blauen Arbeitsanzug. Der ihm den Koffer abgenommen und hatte den Hund, der das nicht zulas- Hund hörte hinter sich das Johlen der Meute und lief in höchster Angst sen wollte, mit einem Tritt verjagt. Am nächsten Morgen war der ver- auf den Mann zu, um bei ihm Schutz zu suchen. Aber der Mann grinste traute Geruch des Menschen, der es gut mit ihm meinte, überdeckt von und stieß das Tier, eben als es an ihm hochspringen wollte, mit einem Ruß und Benzindünsten, und der Hund war allein in den überall lauern- schweren Fußtritt unter dem Geländer der Brücke hinweg. Der Hund den Gefahren. Er kauerte nun verwahrlost und halbverhungert in der jaulte schrill auf und stürzte hinab in das schmutzige, gärende Wasser. Unterführung, winselte und sah auf die Schuhe der Vorübergehenden. Er schwamm und suchte das Ufer zu erreichen. Er erreichte es auch. Gegen Mittag ließ der Regen nach, und er trottete hinaus ins Freie. Aber das Ufer war mit einer steilen Betonmauer eingefaßt, an der seine Er lief durch Eppendorf, über die Wedauer Straße und kam in das In- haltsuchenden Pfoten wieder und wieder abglitten. Die Mauer war sehr dustrieviertel der Stadt. Er wurde verwirrt durch die hohen Mauern, die lang. Da sank er zum erstenmal unter. schrillen Geräusche des ihn umtosenden Verkehrs, das Dröhnen der Er tauchte wieder auf, seine Bewegungen waren matt, einen Augen- Maschinen, das in der Luft lag, aber er lief beharrlich weiter. Bei Han- blick lang sah er die Brücke, dann sank er zum zweitenmal unter. sen & Co. wußte er ein hohes Gebäude, aus dem jeden Tag um die Mit- Nach seinem dritten Auftauchen trieb er ruhig an der Oberfläche des tagszeit viele kleine Menschen mit Mappen auf dem Rücken kamen. Sie Wassers dahin. Seine verzweifelten Bewegungen hatten aufgehört, das streichelten ihn manchmal und fütterten ihn mit Brot. Wasser um ihn herum hatte sich geglättet, und der Mann auf der Brücke Er setzte sich an das eiserne Tor, spähte durch die Gitterstäbe und grinste und zündete sich eine Zigarette an. wartete, daß man komme und ihm etwas gebe. Der Regen hatte sein Fell Der Strom nahm das Wasser des Kanals auf und trieb den Hund als durchnäßt, die Haare klebten, seine Pfoten waren wund und schmutzig. ein winziges Knäuel hinaus aus der Stadt, die noch immer unter dem Er hatte sich sehr verändert. – Da läutete eine Glocke. Die kleinen Men- Schleier von Staub und Ruß begraben lag. Er führte ihn hinweg von den schen liefen herbei – aber sie zischten, als sie ihn sahen, trampelten mit rauchenden Schloten und trug ihn auf seiner glitzernden Oberfläche si- den Füßen auf den Boden, klatschten in die Hände, scheuchten ihn vor cher und geborgen in das Land. In der Nähe von Meggenheim wurde sich her. Sie wollten ihn nicht wiedererkennen. Er zitterte und winselte sein Körper ans Ufer geschwemmt, wo er in einem Binsengebüsch hän- in der nassen Kälte und versuchte zu bellen. Da traf ihn ein Stein. Eines genblieb. Dicht dabei lag der kleine Kai, auf dem man zu den Fährboo- der Kinder hatte ihn geworfen. Er trollte sich aufjaulend ein paar Schrit- ten gelangte. Das Kind des Kahnwächters spielte auf dem Bohlensteg, te zurück, begann aber sogleich, sich winselnd und kriechend wieder zu erblickte das Tier und sagte zu seinem Vater: “Da! Ein Hund!” nähern. “Er wird aus der Stadt getrieben sein”, erwiderte der Kahnwächter Da schien eine geheime Verschwörung unter den kleinen Menschen gleichmütig. zu entstehen. In stillem Übereinkommen standen sie unbeweglich und “Armer Hund!” fügte das Kind hinzu. Aber der Hund hörte es nicht beobachteten ihn aus neugierigen, erwartungsvoll lauernden Augen. mehr. Mit toten, starr geöffneten Augen hing er in dem Binsengebüsch, Und dann bückten sie sich jäh und rafften Steine zusammen, so viele, und die Wellen wiegten ihn hin und her, zu derselben Zeit, als der Mann wie jedes von ihnen in einer Hand fassen konnte. Da begriff er. Im sel- auf der Brücke des Thyssen-Kanals den fünften Zigarettenstummel ins ben Augenblick machte er kehrt und fing an zu laufen. Und auch die Wasser warf und sich zum Gehen wandte. Meute hinter ihm setzte sich in Bewegung. Er lief und lief auf seinen wunden Pfoten, Steine prasselten um ihn herum auf das Pflaster, einige trafen ihn. 119 120