Иностранный язык. Горожанина Н.И - 10 стр.

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TEXT I
I. Informieren Sie sich über den Inhalt des Textes.
DREI JAHRE PUNTZEN OHNE LOHN
Der quälend lange Weg der Ukrainerin Marija H. durch deutsche
Gerichtsinstanzen
von Alexander Krug
Als die Häscher kamen, war Marija H. gerade 17 Jahre alt. Ein
Sammeltransport brachte sie aus ihrem ukrainischen Dorf ins Reich. Drei
Jahre lang, von 1942 bis 1945, musste sie bei Siemens als Reinigungskraft fü r
deutsche Sauberkeit sorgen sechs Tage die Woche, täglich zwö lf Stunden.
Lohn gab es dafü r nie. Ihre Freizeit verbrachte sie in einem bewachten Lager.
Marija H. ist heute 74 Jahre alt. Damit zählt sie noch zu den Jü ngeren im
Millionen-Heer der so genannten Ostarbeiter, die während der Nazidiktatur
unter oft unmenschlichen Bedingungen dazu beitragen mussten, die deutsche
Kriegswirtschaft am Leben zu erhalten. Marija H. fordert heute von Siemens
knapp 40 000 Mark Entschädigung. Ihr Fall trägt am Münchner
Landesarbeitsgericht das Aktenzeichen 8 CA 4661/99. Hunderte gleichartiger
Fälle sind hier registriert. Sie alle werden jetzt an die Zivilgerichte ü bergeben.
Der Fall der Marija H. ist aus juristischer Sicht ein besonderer: Denn das
Arbeitsgericht sprach sich in zwei Beschlü ssen gegen die Abgabe ans
Landgericht aus, und erklärte sich ausdrü cklich fü r zuständig. Zwar befand auch
der Arbeitsrichter, dass Zwangsarbeit nicht einem Arbeitsverhältnis
gleichgestellt werden könne. Gleichwohl sprach er sich für einen
Vergü tungsanspruch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne
des Bürgerlichen Gesetzbuches aus. Denn bei diesem Grundsatz handele es sich
um ein rechtsethisches Prinzip.
Demzufolge sei es wegen der Schwere der Grund- und
Menschenrechtsverletzungen geboten, den Forderungen der Kläger Geltung zu
verschaffen.
Der 30-seitige Beschluss des Mü nchner Landesarbeitsgerichts ist nach der
jü ngsten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nur noch Makulatur. Marija H.
muss den quälenden Weg durch die Zivilgerichte antreten. 55 Jahre nach
Kriegsende ein neuer Prozess mit ungewissenem Ausgang. (Sü ddeutsche
Zeitung, 29. April 2000) (1500)
Texterläuterungen
Häscher, der (gehob., veraltet): Person, die in bestimmtem Auftrag jmdn.
verwegt, hetzt und zu ergreifen versucht.
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TEXT I

I. Informieren Sie sich über den Inhalt des Textes.
                  DREI JAHRE PUNTZEN OHNE LOHN
        Der quälend lange Weg der Ukrainerin Marija H. durch deutsche
                             Gerichtsinstanzen
von Alexander Krug
       Als die Häscher kamen, war Marija H. gerade 17 Jahre alt. Ein
Sammeltransport brachte sie aus ihrem ukrainischen Dorf ins „Reich“. Drei
Jahre lang, von 1942 bis 1945, musste sie bei Siemens als „Reinigungskraft“ für
deutsche Sauberkeit sorgen – sechs Tage die Woche, täglich zwölf Stunden.
Lohn gab es dafür nie. Ihre „Freizeit“ verbrachte sie in einem bewachten Lager.
       Marija H. ist heute 74 Jahre alt. Damit zählt sie noch zu den Jüngeren im
Millionen-Heer der so genannten Ostarbeiter, die während der Nazidiktatur
unter oft unmenschlichen Bedingungen dazu beitragen mussten, die deutsche
Kriegswirtschaft am Leben zu erhalten. Marija H. fordert heute von Siemens
knapp 40 000 Mark Entschädigung. Ihr Fall trägt am Münchner
Landesarbeitsgericht das Aktenzeichen 8 CA 4661/99. Hunderte gleichartiger
Fälle sind hier registriert. Sie alle werden jetzt an die Zivilgerichte übergeben.
       Der Fall der Marija H. ist aus juristischer Sicht ein besonderer: Denn das
Arbeitsgericht sprach sich in zwei Beschlüssen gegen die Abgabe ans
Landgericht aus, und erklärte sich ausdrücklich für zuständig. Zwar befand auch
der Arbeitsrichter, dass Zwangsarbeit nicht einem Arbeitsverhältnis
gleichgestellt werden könne. Gleichwohl sprach er sich für einen
„Vergütungsanspruch“ nach dem Grundsatz von „Treu und Glauben“ im Sinne
des Bürgerlichen Gesetzbuches aus. Denn bei diesem Grundsatz handele es sich
um ein „rechtsethisches Prinzip“.
       Demzufolge sei es wegen der Schwere der Grund- und
Menschenrechtsverletzungen geboten, den Forderungen der Kläger Geltung zu
verschaffen.
       Der 30-seitige Beschluss des Münchner Landesarbeitsgerichts ist nach der
jüngsten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nur noch Makulatur. Marija H.
muss den quälenden Weg durch die Zivilgerichte antreten. 55 Jahre nach
Kriegsende ein neuer Prozess mit ungewissenem Ausgang. (Süddeutsche
Zeitung, 29. April 2000) (1500)

Texterläuterungen
Häscher, der (gehob., veraltet): Person, die in bestimmtem Auftrag jmdn.
verwegt, hetzt und zu ergreifen versucht.