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„Im Grunde hat die Industrie erreicht was sie wollte, nämlich
Zeitgewinn.“ Peter-Jochen Kruse ist enttäuscht. Der Rechtsanwalt vertritt die
Interessen von hunderten ukrainischen und weißrussischen Zwangsarbeitern, die
während des Krieges in Münchner Firmen schuften mussten. Kruse hatte die
Klagen im Juni vergangenen Jahres am Arbeitsgericht eingereicht, um eine
zü gige Bearbeitung der Fälle zu erreichen. Nach den jüngsten Entscheidungen
des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) kann er wieder von vorne anfangen: Das
BAG hat die Arbeitsgerichte für nicht zuständig erklärt und die Kläger an die
ordentlichen Zivilgerichte verwiesen. Auf die rollt in München nun eine
gewaltige Welle von Verfahren zu.
Insgesamt 923 Verfahren sind derzeit am Münchner Arbeitsgericht
registriert. Ganz oben auf der Liste der beklagten Unternehmen steht Siemens
mit 586 Fällen, es folgen BMW mit 143 und Daimler-Chrysler mit 112. Weiter
Firmen sind MAN, Lufthansa, Dasa, Moll, Fichtel & Sachs, Krauss-Maffei,
Osram und Heilit & Wö rner. Die ü berwiegende Zahl der betroffenen Firmen ist
bereits der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft beigetreten, die zur
Entschädigung der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter fünf Milliarden Mark
sammeln will. Weitere fünf Milliarden Mark will bekanntlich die ö ffentliche
Hand beisteuern. Bislang haben rund 200 Firmen etwa zwei Milliarden Mark in
den Fond eingezahlt.
Unabhängig von dem Bemü hen um Entschädigung haben sich viele der
ehemaligen Zwangs- und Sklavenarbeiter zu Klagen vor deutschen Gerichten
entschlossen. Um die Verfahren zu beschleunigen, wählten etliche den Weg
ü ber die Arbeitsgerichte. Denn hier entfällt – im Gegensatz zu den
Zivilgerichten – der Kostenvorschuss, der für viele der bettelarmen Kläger eine
kaum ü berwindbare Hürde darstellt. Die Arbeitsgerichte urteilten freilich vö llig
unterschiedlich. Einige verwiesen die Kläger sofort an die Zivilgerichte, andere
nahmen die Klagen an (siehe unten). „Die Frage des Rechtsweges war höchst
umstritten“, sagt Richter Burghard Harraeus, Richter am Landesarbeitsgericht.
Wieder am Anfang
Mit der Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts stehen die
Kläger wieder am Anfang. Das BAG hatte die Arbeitsgerichte für nicht
zuständig erklärt, weil in keinem Fall ein freiwilliger Arbeitsvertrag vorlag.
Dieser aber sei für den Rechtsweg der Arbeitsgerichte „unverzichtbare“
Voraussetzung. Damit müssen die Kläger ihre Ansprü che auf Lohn oder
Entschädigung nun vor den Zivilgerichten geltend machen.
„Ein riesiger Aktenberg“
Die 923 am Münchner Arbeitsgericht anhänhigen Verfahren werden nun
Schritt für Schritt an das Landgericht abgegeben. „Das ist ein riesiger
Aktenberg“, schätzt Richter Harraeus. Er rechnet mit rund drei Monaten, bis die
Fälle ihr neues Ziel erreicht haben. In der Mehrzahl der Fälle geht es um
Entschädigungssummen zwischen 20 000 und 40 000 Mark, insgesamt also um
bis zu 40 Millionen Mark. Am Landgericht sieht man den Flut von neuen
Verfahren mit gemischten Gefü hlen entgegen. Die 923 Verfahren entsprächen
dem „Jahreseingang“ von zwei Kammern, schätzt Pressesprecher Christian
13 „Im Grunde hat die Industrie erreicht was sie wollte, nämlich Zeitgewinn.“ Peter-Jochen Kruse ist enttäuscht. Der Rechtsanwalt vertritt die Interessen von hunderten ukrainischen und weißrussischen Zwangsarbeitern, die während des Krieges in Münchner Firmen schuften mussten. Kruse hatte die Klagen im Juni vergangenen Jahres am Arbeitsgericht eingereicht, um eine zügige Bearbeitung der Fälle zu erreichen. Nach den jüngsten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) kann er wieder von vorne anfangen: Das BAG hat die Arbeitsgerichte für nicht zuständig erklärt und die Kläger an die ordentlichen Zivilgerichte verwiesen. Auf die rollt in München nun eine gewaltige Welle von Verfahren zu. Insgesamt 923 Verfahren sind derzeit am Münchner Arbeitsgericht registriert. Ganz oben auf der Liste der beklagten Unternehmen steht Siemens mit 586 Fällen, es folgen BMW mit 143 und Daimler-Chrysler mit 112. Weiter Firmen sind MAN, Lufthansa, Dasa, Moll, Fichtel & Sachs, Krauss-Maffei, Osram und Heilit & Wörner. Die überwiegende Zahl der betroffenen Firmen ist bereits der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft beigetreten, die zur Entschädigung der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter fünf Milliarden Mark sammeln will. Weitere fünf Milliarden Mark will bekanntlich die öffentliche Hand beisteuern. Bislang haben rund 200 Firmen etwa zwei Milliarden Mark in den Fond eingezahlt. Unabhängig von dem Bemühen um Entschädigung haben sich viele der ehemaligen Zwangs- und Sklavenarbeiter zu Klagen vor deutschen Gerichten entschlossen. Um die Verfahren zu beschleunigen, wählten etliche den Weg über die Arbeitsgerichte. Denn hier entfällt – im Gegensatz zu den Zivilgerichten – der Kostenvorschuss, der für viele der bettelarmen Kläger eine kaum überwindbare Hürde darstellt. Die Arbeitsgerichte urteilten freilich völlig unterschiedlich. Einige verwiesen die Kläger sofort an die Zivilgerichte, andere nahmen die Klagen an (siehe unten). „Die Frage des Rechtsweges war höchst umstritten“, sagt Richter Burghard Harraeus, Richter am Landesarbeitsgericht. Wieder am Anfang Mit der Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts stehen die Kläger wieder am Anfang. Das BAG hatte die Arbeitsgerichte für nicht zuständig erklärt, weil in keinem Fall ein freiwilliger Arbeitsvertrag vorlag. Dieser aber sei für den Rechtsweg der Arbeitsgerichte „unverzichtbare“ Voraussetzung. Damit müssen die Kläger ihre Ansprüche auf Lohn oder Entschädigung nun vor den Zivilgerichten geltend machen. „Ein riesiger Aktenberg“ Die 923 am Münchner Arbeitsgericht anhänhigen Verfahren werden nun Schritt für Schritt an das Landgericht abgegeben. „Das ist ein riesiger Aktenberg“, schätzt Richter Harraeus. Er rechnet mit rund drei Monaten, bis die Fälle ihr neues Ziel erreicht haben. In der Mehrzahl der Fälle geht es um Entschädigungssummen zwischen 20 000 und 40 000 Mark, insgesamt also um bis zu 40 Millionen Mark. Am Landgericht sieht man den Flut von neuen Verfahren mit gemischten Gefühlen entgegen. Die 923 Verfahren entsprächen dem „Jahreseingang“ von zwei Kammern, schätzt Pressesprecher Christian
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