Лексикология немецкого языка. Солодилова И.А. - 91 стр.

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Guter Hoffnung sein 'schwanger sein' wirkt heule eher altmodisch (Duden 11
markiert den Ausdruck als ,.gehoben"), der Ausdruck ist phraseologisiert, wie an der
heute nicht mehr lebendigen Genitivkonstruktion erkennbar ist. Wenn nun in einem
heutigen Text der Genitiv als Nominativ anaphorisch wieder aufgenommen und
damit der Teil gute Hoffnung remotiviert und der ganze Phraseologismus modifiziert
würde, müßte das befremdlich wirken. In den „Wahlverwandtschaften" aber findet
sich eine solche Formulierung an einer sehr dramatischen Stelle der Geschichte, was
darauf hindeutet, daß Hoffnung noch stärker in seiner freien Bedeutung verstanden
wurde:
(Charlotte:) Ich muß glauben, ich muß hoffen, daß sich alles wieder geben, daß
Eduard sich wieder nahem werde. Wie kann es auch wohl anders sein, da Sie mich
guter Hoffnung finden. Versteh ich Sie recht? fiel Minier ein. - Vollkommen,
versetzte Charlotte-Tausendmal gesegnet sei mir diese Nachricht! rief er (...) Mehr
als tausend Worte wirkt eine solche gute Hoffnung, die fürwahr die beste Hoffnung
ist, die wir haben können. (Goethe, Wahlverwandtschaften, 123)
Wir verstehen die Stelle mühelos, aber die Verwendung des Ausdrucks würde
auf uns als Modifikation wirken, was sie im Goethcschen Kontext wohl nicht (oder
nur in schwacher Form) war.
Schon kleine semantische Verschiebungen können die Rezeption eines älteren
Textes beeinträchtigen:
Wir kennen verschiedene Phraseologismen mit der Komponente trocken,
darunter auf dem trockenen sitzen (1. 'seine Reserven aufgebraucht haben, nicht mehr
weiter wissen'; 2. 'nichts mehr zu trinken haben") und sein Schäfchen ins trockene
bringen/ im trockenen haben ('sich [auf Kosten anderer] großen Gewinn, große
Vorteile verschaffen/ verschafft haben').
Daneben gibt es die Ausdrücke mit konkreter Bedeutung auf dein Trock(e)nen/
im Trock(c)nen, die auch phraseologisch, wenn auch nur schwach idiomatisch sind
(die ßedeutungserläuterungen in Duden GW 'auf trockenem, festem Boden, an Land'
bzw. 'an einem trockenen, vor dem Regen geschützten Ort' weisen auf die leichte
kliomatisierung hin).
In der folgenden Stelle aus den „Wahlverwandtschaften" findet sich eine
Formulierung, die uns leicht humoristisch anmutet (die aper sicher nicht so gemeint
ist):
(Der Mann rettet eine Frau, die ins Wasser gesprungen iit, aber nicht
schwimmen kann:) Dort brachte er seine schöne Beute aufs Trockne [d. h. an Land]:
aber kein Lebenshauch war in ihr zu spüren. (Goethe, Wahlverwandtschaften. 208)
Adelung unter „trocken":
Trocken sitzen, im Trockenen sitzen, vor der Nässe bedeckt sitzen
Das für uns Auffällige an der Formulierung ist die Tatsache, daß eine
Kombination von aufs Trockne und bringen konkret gemeint ist, nährend sie heute
kaum anders als übertragen aufzufassen wäre. Zusätzlich werden wir noch
fehlgeleitet durch das Objekt Beute, das uns den Phraseologismus sein Schafchen ins
trockene bringen assoziieren läßt.
Das folgende Beispiel zeigt einen Wandel, der in der Gegenwart noch nicht
abgeschlossen ist:
        Guter Hoffnung sein 'schwanger sein' wirkt heule eher altmodisch (Duden 11
markiert den Ausdruck als ,.gehoben"), der Ausdruck ist phraseologisiert, wie an der
heute nicht mehr lebendigen Genitivkonstruktion erkennbar ist. Wenn nun in einem
heutigen Text der Genitiv als Nominativ anaphorisch wieder aufgenommen und
damit der Teil gute Hoffnung remotiviert und der ganze Phraseologismus modifiziert
würde, müßte das befremdlich wirken. In den „Wahlverwandtschaften" aber findet
sich eine solche Formulierung an einer sehr dramatischen Stelle der Geschichte, was
darauf hindeutet, daß Hoffnung noch stärker in seiner freien Bedeutung verstanden
wurde:
        (Charlotte:) Ich muß glauben, ich muß hoffen, daß sich alles wieder geben, daß
Eduard sich wieder nahem werde. Wie kann es auch wohl anders sein, da Sie mich
guter Hoffnung finden. Versteh ich Sie recht? fiel Minier ein. - Vollkommen,
versetzte Charlotte-Tausendmal gesegnet sei mir diese Nachricht! rief er (...) Mehr
als tausend Worte wirkt eine solche gute Hoffnung, die fürwahr die beste Hoffnung
ist, die wir haben können. (Goethe, Wahlverwandtschaften, 123)
        Wir verstehen die Stelle mühelos, aber die Verwendung des Ausdrucks würde
auf uns als Modifikation wirken, was sie im Goethcschen Kontext wohl nicht (oder
nur in schwacher Form) war.
        Schon kleine semantische Verschiebungen können die Rezeption eines älteren
Textes beeinträchtigen:
        Wir kennen verschiedene Phraseologismen mit der Komponente trocken,
darunter auf dem trockenen sitzen (1. 'seine Reserven aufgebraucht haben, nicht mehr
weiter wissen'; 2. 'nichts mehr zu trinken haben") und sein Schäfchen ins trockene
bringen/ im trockenen haben ('sich [auf Kosten anderer] großen Gewinn, große
Vorteile verschaffen/ verschafft haben').
        Daneben gibt es die Ausdrücke mit konkreter Bedeutung auf dein Trock(e)nen/
im Trock(c)nen, die auch phraseologisch, wenn auch nur schwach idiomatisch sind
(die ßedeutungserläuterungen in Duden GW 'auf trockenem, festem Boden, an Land'
bzw. 'an einem trockenen, vor dem Regen geschützten Ort' weisen auf die leichte
kliomatisierung hin).
        In der folgenden Stelle aus den „Wahlverwandtschaften" findet sich eine
Formulierung, die uns leicht humoristisch anmutet (die aper sicher nicht so gemeint
ist):
        (Der Mann rettet eine Frau, die ins Wasser gesprungen iit, aber nicht
schwimmen kann:) Dort brachte er seine schöne Beute aufs Trockne [d. h. an Land]:
aber kein Lebenshauch war in ihr zu spüren. (Goethe, Wahlverwandtschaften. 208)
        Adelung unter „trocken":
        Trocken sitzen, im Trockenen sitzen, vor der Nässe bedeckt sitzen
        Das für uns Auffällige an der Formulierung ist die Tatsache, daß eine
Kombination von aufs Trockne und bringen konkret gemeint ist, nährend sie heute
kaum anders als übertragen aufzufassen wäre. Zusätzlich werden wir noch
fehlgeleitet durch das Objekt Beute, das uns den Phraseologismus sein Schafchen ins
trockene bringen assoziieren läßt.
        Das folgende Beispiel zeigt einen Wandel, der in der Gegenwart noch nicht
abgeschlossen ist:

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