Лексикология немецкого языка. Солодилова И.А. - 93 стр.

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Willst Du einen solchen [Kaufmann] zu einer milden Gabe oder sonst zu einer
großmütigen Handlung bewegen, so mußt Du entweder seine Eitelkeit mit in das
Spiel bringen, daß es bekannt werde, wieviel dies große Haus an Arme gibt, oder der
Mann muß glauben, daß der Himmel ihm die Gabe hundertfältig vergelten werde;
dann wird es andächtiger Wucher. (Knigge, 368)
Für einen Deutschsprechenden der älteren Generation ist der Phraseologismus
milde Gabe 'Almosen' vielleicht unauffällig, Jüngere hingegen brauchen ihn selber
wohl nur als kommentierend-abschätzige Formel, wenn man ein Angebot als
unzureichend oder minderwertig qualifizieren will. In Knigges Text ist er natürlich
ganz ernst gemeint.
An einem Beispiel, das in unserem Textkorpus bezeugt ist, wollen wir die
ganze Bedeutungsgeschichte eines Ausdrucks verfolgen:
Der Ausdruck vom Leder ziehen (heute 'heftig schimpfen' nach Duden 11)
scheint im 17. Jahrhundert bereits verfestigt zu sein, zunächst aber nur in konkreter,
auf den Kampf bezogener Bedeutung, so z. B. bei Christian Reuter (1696):
O Sapperm., wie zog ich meinen Rückenstreicher auch von Leder und legte
mich in Positur! (Ch. Reuter, Schelmuflsky, 39)
Ey Sappcrm., wie zog der Kerl mit seinen Capers von Leder! Ich war nun mit
meinen vortrefflichen Hau-Degen, welches ein Rückstreicher war, auch nicht
langsam heraus und über die Capers mit her. (Ch. Reuter, Schelmuflsky, 114)
Auch im 18. Jh. scheint es sich noch so zu verhalten, wie der Eintrag bei
Adelung (unter Leder) zeigt:
In der R.A. von Leder ziehen, d. i. den Degen ziehen, scheint es die lederne
Scheide oder auch das lederne Degengehenk zu bezeichnen.
Im „Kohlhaas" finden wir genau diese Verwendung:
(...) so folgte ihm der Kämmerer von hinten, riß ihm den Hut ab (...), zog,
nachdem er den Hut mit Füßen getreten, vom Leder, und jagte den Knecht mit
wütenden Hieben der Klinge augenblicklich vom Platz weg und aus seinen Diensten.
(Kleist. 67)
Seit wann aber ist der Ausdruck übertragen verwendet worden?
DW (1885) bringt keine expliziten Belege für übertragene Verwendung und
auch keinen entsprechenden Bedeutungspunkt, wohl aber einen Beleg von Jean Paul,
der auf den möglichen Beginn der metaphorische! Verwendung hindeutet. Zugleich
belegt er die morphologische Veränderung von artikelloser (von leder) zu
artikelhaltiger Form (vom leder), wie sie heute noch üblich ist:
wir (Deutsche) ziehen in büchern keck vom leder und zeigen, wo uns das herz
sitzt (J. Paul)
Diesen Beleg zitiert auch Röhrich. Ob der Jean Paul-Bel ;g aber das erste
greifbare Zeugnis für die neue Verwendung ist und ob er auf den prototypischen
Kontext hinweist, innerhalb dessen die Übertragung stattgefunden haben könnte, läßt
sich ohne weitere Quellenstudien nicht ausmachen.
        Willst Du einen solchen [Kaufmann] zu einer milden Gabe oder sonst zu einer
großmütigen Handlung bewegen, so mußt Du entweder seine Eitelkeit mit in das
Spiel bringen, daß es bekannt werde, wieviel dies große Haus an Arme gibt, oder der
Mann muß glauben, daß der Himmel ihm die Gabe hundertfältig vergelten werde;
dann wird es andächtiger Wucher. (Knigge, 368)
        Für einen Deutschsprechenden der älteren Generation ist der Phraseologismus
milde Gabe 'Almosen' vielleicht unauffällig, Jüngere hingegen brauchen ihn selber
wohl nur als kommentierend-abschätzige Formel, wenn man ein Angebot als
unzureichend oder minderwertig qualifizieren will. In Knigges Text ist er natürlich
ganz ernst gemeint.
        An einem Beispiel, das in unserem Textkorpus bezeugt ist, wollen wir die
ganze Bedeutungsgeschichte eines Ausdrucks verfolgen:
        Der Ausdruck vom Leder ziehen (heute 'heftig schimpfen' nach Duden 11)
scheint im 17. Jahrhundert bereits verfestigt zu sein, zunächst aber nur in konkreter,
auf den Kampf bezogener Bedeutung, so z. B. bei Christian Reuter (1696):
        O Sapperm., wie zog ich meinen Rückenstreicher auch von Leder und legte
mich in Positur! (Ch. Reuter, Schelmuflsky, 39)
        Ey Sappcrm., wie zog der Kerl mit seinen Capers von Leder! Ich war nun mit
meinen vortrefflichen Hau-Degen, welches ein Rückstreicher war, auch nicht
langsam heraus und über die Capers mit her. (Ch. Reuter, Schelmuflsky, 114)
        Auch im 18. Jh. scheint es sich noch so zu verhalten, wie der Eintrag bei
Adelung (unter Leder) zeigt:
        In der R.A. von Leder ziehen, d. i. den Degen ziehen, scheint es die lederne
Scheide oder auch das lederne Degengehenk zu bezeichnen.
        Im „Kohlhaas" finden wir genau diese Verwendung:
        (...) so folgte ihm der Kämmerer von hinten, riß ihm den Hut ab (...), zog,
nachdem er den Hut mit Füßen getreten, vom Leder, und jagte den Knecht mit
wütenden Hieben der Klinge augenblicklich vom Platz weg und aus seinen Diensten.
(Kleist. 67)
        Seit wann aber ist der Ausdruck übertragen verwendet worden?
        DW (1885) bringt keine expliziten Belege für übertragene Verwendung und
auch keinen entsprechenden Bedeutungspunkt, wohl aber einen Beleg von Jean Paul,
der auf den möglichen Beginn der metaphorische! Verwendung hindeutet. Zugleich
belegt er die morphologische Veränderung von artikelloser (von leder) zu
artikelhaltiger Form (vom leder), wie sie heute noch üblich ist:
        wir (Deutsche) ziehen in büchern keck vom leder und zeigen, wo uns das herz
sitzt (J. Paul)
        Diesen Beleg zitiert auch Röhrich. Ob der Jean Paul-Bel ;g aber das erste
greifbare Zeugnis für die neue Verwendung ist und ob er auf den prototypischen
Kontext hinweist, innerhalb dessen die Übertragung stattgefunden haben könnte, läßt
sich ohne weitere Quellenstudien nicht ausmachen.




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