Der Markt als Referenzsystem. Борисова Л.М. - 12 стр.

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Text 5
Was soll der Markt leisten?
Die Entdeckung, dass Marktprozesse dem Vorteil aller Beteiligten dienen
können und dazu beitragen, die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt zu steigern,
markiert die Geburtsstunde der modernen Volkswirtschaftslehre. Man verbindet
diese Erkenntnis gewöhnlich mit dem Namen von Adam Smith und seinem
1776 erschienenen Werk «An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth
of Nations», obwohl der belgische Arzt Bernard Mandeville in seiner
berühmten, 1714 erschienenen Satire «Die Bienenfabel» zumindest das Grund-
prinzip der Wirkungsweise der ,un-sichtbaren Hand’ des Marktes schon Jahrze-
hnte vorher plastisch beschrieben hatte. Aus solchen Beschreibungen der
Wirkungsweise von Marktprozessen ist das erwachsen, was man heute als
«Funktionen des Wettbewerbs» bezeichnet. Dabei handelt es sich nicht um
,Aufgaben’, welche die Gesellschaft dem Markt zugeordnet hätte, sondern um
erfahrungsgestützte Erwartungen über Verlaufsmuster, die funktionierenden
Märkten eigen sind. Das nachfolgend dargestellte Schema umfasst die fünf we-
sentlichen Funktionen des Wettbewerbs und kann als (jedenfalls unter Öko-
nomen) allgemein anerkannt gelten. Demnach sollte ein funktionsfähiger
Wettbewerb folgende Funktionen in zufrieden stellender Weise erfüllen.
I. Verteilung der Markteinkommen entsprechend der Marktleistung. Dabei
bestimmt sich die Marktleistung nach der Produktivität bei der Bereitstellung
von Gütern und Dienstleistungen bzw. nach der Zahlungsbereitschaft der auf die
hergestellten Güter und Dienstleistungen gerichteten Nachfrage. Eine in diesem
Sinne leistungsgerechte Entlohnung («Entlohnung nach dem Erfolg») bzw. die
Verhinderung nicht-leistungsgerechter Einkommen wird deshalb als erstreben-
swert angesehen, weil sie mit relativ stark ausgeprägten Anreizen zur Leis-
tungssteigerung verbunden ist. Die funktionelle Einkommensverteilung nach der
Marktleistung impliziert nicht zwangsläufig ein ethisches Gerechtigkeitsprinzip
und macht verteilungspolitische Eingriffe des Staates nicht unbedingt überflüs-
sig. Die mit dieser Form der Leistungsgerechtigkeit verbundenen effizien-
zfördernden Anreize führen aber dazu, dass die für solche Um-
verteilungsmaßnahmen zur Verfügung stehende Masse relativ groß ausfällt. Die
Verteilung entsprechend der Marktleistung stellt eine Form der «kom-
mutativen» Gerechtigkeit dar; Grundsätze der kommutativen Gerechtigkeit sind
dadurch gekennzeichnet, dass sie sich allein auf die Regeln für das Zustande-
kommen eines bestimmten Ergebnisses beziehen, das Ergebnis selbst aber nicht
thematisieren («Gerechtigkeit durch Verfahren»). Man bezeichnet sie auch als
«Längsschnitt»-Grundsätze der Gerechtigkeit. Im Gegensatz dazu stehen
Grundsätze der «distributiven» Gerechtigkeit, die allein das Ergebnis und nicht
den zu Grunde liegenden Entstehungsprozess betrachten; sie werden auch als
«Querschnittsgrundsätze» gekennzeichnet.
II. Erstellung und Verteilung des Angebotes an Waren und Dienstleistun-
gen entsprechend den Präferenzen der Konsumenten (Prinzip der Konsumenten-
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                         Was soll der Markt leisten?
Die Entdeckung, dass Marktprozesse dem Vorteil aller Beteiligten dienen
können und dazu beitragen, die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt zu steigern,
markiert die Geburtsstunde der modernen Volkswirtschaftslehre. Man verbindet
diese Erkenntnis gewöhnlich mit dem Namen von Adam Smith und seinem
1776 erschienenen Werk «An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth
of Nations», obwohl der belgische Arzt Bernard Mandeville in seiner
berühmten, 1714 erschienenen Satire «Die Bienenfabel» zumindest das Grund-
prinzip der Wirkungsweise der ,un-sichtbaren Hand’ des Marktes schon Jahrze-
hnte vorher plastisch beschrieben hatte. Aus solchen Beschreibungen der
Wirkungsweise von Marktprozessen ist das erwachsen, was man heute als
«Funktionen des Wettbewerbs» bezeichnet. Dabei handelt es sich nicht um
,Aufgaben’, welche die Gesellschaft dem Markt zugeordnet hätte, sondern um
erfahrungsgestützte Erwartungen über Verlaufsmuster, die funktionierenden
Märkten eigen sind. Das nachfolgend dargestellte Schema umfasst die fünf we-
sentlichen Funktionen des Wettbewerbs und kann als (jedenfalls unter Öko-
nomen) allgemein anerkannt gelten. Demnach sollte ein funktionsfähiger
Wettbewerb folgende Funktionen in zufrieden stellender Weise erfüllen.
     I. Verteilung der Markteinkommen entsprechend der Marktleistung. Dabei
bestimmt sich die Marktleistung nach der Produktivität bei der Bereitstellung
von Gütern und Dienstleistungen bzw. nach der Zahlungsbereitschaft der auf die
hergestellten Güter und Dienstleistungen gerichteten Nachfrage. Eine in diesem
Sinne leistungsgerechte Entlohnung («Entlohnung nach dem Erfolg») bzw. die
Verhinderung nicht-leistungsgerechter Einkommen wird deshalb als erstreben-
swert angesehen, weil sie mit relativ stark ausgeprägten Anreizen zur Leis-
tungssteigerung verbunden ist. Die funktionelle Einkommensverteilung nach der
Marktleistung impliziert nicht zwangsläufig ein ethisches Gerechtigkeitsprinzip
und macht verteilungspolitische Eingriffe des Staates nicht unbedingt überflüs-
sig. Die mit dieser Form der Leistungsgerechtigkeit verbundenen effizien-
zfördernden Anreize führen aber dazu, dass die für solche Um-
verteilungsmaßnahmen zur Verfügung stehende Masse relativ groß ausfällt. Die
Verteilung entsprechend der Marktleistung stellt eine Form der «kom-
mutativen» Gerechtigkeit dar; Grundsätze der kommutativen Gerechtigkeit sind
dadurch gekennzeichnet, dass sie sich allein auf die Regeln für das Zustande-
kommen eines bestimmten Ergebnisses beziehen, das Ergebnis selbst aber nicht
thematisieren («Gerechtigkeit durch Verfahren»). Man bezeichnet sie auch als
«Längsschnitt»-Grundsätze der Gerechtigkeit. Im Gegensatz dazu stehen
Grundsätze der «distributiven» Gerechtigkeit, die allein das Ergebnis und nicht
den zu Grunde liegenden Entstehungsprozess betrachten; sie werden auch als
«Querschnittsgrundsätze» gekennzeichnet.
     II. Erstellung und Verteilung des Angebotes an Waren und Dienstleistun-
gen entsprechend den Präferenzen der Konsumenten (Prinzip der Konsumenten-
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