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Du sagtest: Ich entscheide, was für mich das Beste ist, für mich und die Kinder,
Du denkst natürlich nicht an die Kinder, Du denkst nur an Dich, Du … Das ist
alles sinnlos jetzt. Aber auch dieser Worte wegen schreibe ich nicht. Weißt Du,
morgen hä tte ich zu Hause bleiben müssen, Wochen, Monate Krankenhaus, Kur
(aber nicht deshalb dies!), spä ter vielleicht eine leichte Arbeit, Betriebsschutz
oder so was, na danke, aber die neunzehn Jahre überm Ofen haben eben
reingehaun in die Lungen – und der Sprit auch, ja, aber dann vierhundert,
fünfhundert Mark am Monatsende!
MARTIN STEPHAN
SPÄ TER GAST BEI ARMER WITWE
Am letzten Freitag im Oktober wurde Emma Schneider aus dem Krankenhaus
entlassen. Der Schenkelhalsbruch, links, den sie sich im Frühjahr auf der glatten,
kalten Marmortreppe der Stadtbibliothek zugezogen hatte (in ihrer Handtasche,
eben ausgeliehen „Der Sohn einer Magd“ von August Strinberg), wurde von
dem leitenden Arzt der Station als mehr oder weniger ausgeheilt bezeichnet.
Wenn wir Ihr Alter in Betracht ziehen, sagte er, und das müssen wir schon, liebe
Frau Schneider, können wir doch recht zufrieden sein. Sie fand diesen Arzt sehr
sympathisch, ein wenig erinnerte er sie sogar an ihren Sohn Joachim, doch war
natürlich, wie sie sich etwas bekümmert eingestehen mußte, an Doktor
Breitmann alles schlanker und irgendwie vornehmer, eben feiner; besonders
seine Hände hatten es ihr angetan, lange weiße Hände mit blaßrosa Nägeln.
Solche Hände müssen Gutes tun, dachte sie, sie sind wie die des steinernen
Lazarus im Heimatdorf meiner Mutter.
Es war an diesem Oktobermorgen noch sommerlich warm – oder wieder und
wie zum letztenmal, denn es hatte schon nasse Kä lte gegeben in diesem Herbst -
, in den Doppelfenstern der Krankenzimmer summten dicke, müde Fliegen ihre
eigene Totenmesse, und die tabakfarbenen Kronen der Laubbä ume vor dem
Haus strahlten im Sonnenlicht.
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10 Du sagtest: Ich entscheide, was für mich das Beste ist, für mich und die Kinder, Du denkst natürlich nicht an die Kinder, Du denkst nur an Dich, Du … Das ist alles sinnlos jetzt. Aber auch dieser Worte wegen schreibe ich nicht. Weißt Du, morgen hä tte ich zu Hause bleiben müssen, Wochen, Monate Krankenhaus, Kur (aber nicht deshalb dies!), spä ter vielleicht eine leichte Arbeit, Betriebsschutz oder so was, na danke, aber die neunzehn Jahre überm Ofen haben eben reingehaun in die Lungen – und der Sprit auch, ja, aber dann vierhundert, fünfhundert Mark am Monatsende! MARTIN STEPHAN SPÄ TER GAST BEI ARMER WITWE Am letzten Freitag im Oktober wurde Emma Schneider aus dem Krankenhaus entlassen. Der Schenkelhalsbruch, links, den sie sich im Frühjahr auf der glatten, kalten Marmortreppe der Stadtbibliothek zugezogen hatte (in ihrer Handtasche, eben ausgeliehen „Der Sohn einer Magd“ von August Strinberg), wurde von dem leitenden Arzt der Station als mehr oder weniger ausgeheilt bezeichnet. Wenn wir Ihr Alter in Betracht ziehen, sagte er, und das müssen wir schon, liebe Frau Schneider, können wir doch recht zufrieden sein. Sie fand diesen Arzt sehr sympathisch, ein wenig erinnerte er sie sogar an ihren Sohn Joachim, doch war natürlich, wie sie sich etwas bekümmert eingestehen mußte, an Doktor Breitmann alles schlanker und irgendwie vornehmer, eben feiner; besonders seine Hä nde hatten es ihr angetan, lange weiße Hä nde mit blaßrosa Nä geln. Solche Hä nde müssen Gutes tun, dachte sie, sie sind wie die des steinernen Lazarus im Heimatdorf meiner Mutter. Es war an diesem Oktobermorgen noch sommerlich warm – oder wieder und wie zum letztenmal, denn es hatte schon nasse Kä lte gegeben in diesem Herbst - , in den Doppelfenstern der Krankenzimmer summten dicke, müde Fliegen ihre eigene Totenmesse, und die tabakfarbenen Kronen der Laubbä ume vor dem Haus strahlten im Sonnenlicht. PDF created with FinePrint pdfFactory Pro trial version http://www.fineprint.com
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