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Sie haben richtig Glück, an einem solch schönen Tag entlassen zu werden, sagte
Schwester Gudrun mit einem Lächeln, als wäre sie verantwortlich, für dieses
Wetter und für die mühsam errungene Gesundheit auch.
Emma Schneider bedankte sich bei dem medizinischen Personal der Station,
verabschiedete sich von den Patienten in ihrem Zimmer, zwei alten Damen,
ebenfalls schon über die Siebzig, von denen gemunkelt wurde, daß sie hier
höchstwahrscheinlich nicht mehr rauskommen würden; die beiden Frauen sahen
der Heimkehrenden nach wie langsam Ertrinkende einem am Horizont
verschwindenden Schiff.
Nun fühlte sich Emma Schneider gewiß nicht wie ein stolzes Schiff mit
windgeblä hten Segeln, ganz im Gegenteil: Das Gehen fiel ihr schwer nach der
langen Krankheit, bei jedem Schritt stöhnte sie vor Schmerz. In der Aufnahme
des Krankenhauses wartete sie und beobachtete mitfühlend die Neueingä nge.
Sie hatte es abgelehnt, mit dem Rettungswagen nach Hause gebracht zu werden,
schließlich war sie ja mit wehender Fahne im Frühjahr hier eingeliefert worden,
sollte sie vielleicht jetzt mit Martinshorn heimfahren, wo wäre denn da der
Unterschied? Nein, sie leistete sich eine Taxe. Der Fahrer wußte den Weg zur
Gartensiedlung, in der Emma Schneider wohnte, nicht genau. Also mußte sie
den Lotsen spielen und konnte nicht, wie sie es vorgehabt und sich in langen
Krankenhausnä chten ausgemalt hatte, die Fahrt durch die Stadt genießen und,
bequem im weichen Autosessel sitzend, mögliche Verä nderungen entdecken.
Ein langer Sommer, so dachte sie, kann nicht spurlos an der Stadt
vorbeigegangen sein. Doch sie sah nicht viel, und die Straßen, durch die sie
fuhr, weckten in ihr nicht einmal alltä gliche Erinnerungen.
Wohnen Sie etwa da draußen, oder haben Sie da nur Ihr Grundstück? fragte der
Fahrer.
Ich wohne da, antwortete sie, und vielleicht war eine Spur Trotz in ihrer
Stimme, jawohl, Sommer wie Winter, mein verstorbener Mann war der
Wä chter. Gleich tat es ihr leid, zuviel gesagt zu haben, denn der Kerl gefiel ihr
ganz und gar nicht, was der für Augen hat, dachte sie, wie ein Raubvogel.
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11 Sie haben richtig Glück, an einem solch schönen Tag entlassen zu werden, sagte Schwester Gudrun mit einem Lä cheln, als wä re sie verantwortlich, für dieses Wetter und für die mühsam errungene Gesundheit auch. Emma Schneider bedankte sich bei dem medizinischen Personal der Station, verabschiedete sich von den Patienten in ihrem Zimmer, zwei alten Damen, ebenfalls schon über die Siebzig, von denen gemunkelt wurde, daß sie hier höchstwahrscheinlich nicht mehr rauskommen würden; die beiden Frauen sahen der Heimkehrenden nach wie langsam Ertrinkende einem am Horizont verschwindenden Schiff. Nun fühlte sich Emma Schneider gewiß nicht wie ein stolzes Schiff mit windgeblä hten Segeln, ganz im Gegenteil: Das Gehen fiel ihr schwer nach der langen Krankheit, bei jedem Schritt stöhnte sie vor Schmerz. In der Aufnahme des Krankenhauses wartete sie und beobachtete mitfühlend die Neueingä nge. Sie hatte es abgelehnt, mit dem Rettungswagen nach Hause gebracht zu werden, schließlich war sie ja mit wehender Fahne im Frühjahr hier eingeliefert worden, sollte sie vielleicht jetzt mit Martinshorn heimfahren, wo wä re denn da der Unterschied? Nein, sie leistete sich eine Taxe. Der Fahrer wußte den Weg zur Gartensiedlung, in der Emma Schneider wohnte, nicht genau. Also mußte sie den Lotsen spielen und konnte nicht, wie sie es vorgehabt und sich in langen Krankenhausnä chten ausgemalt hatte, die Fahrt durch die Stadt genießen und, bequem im weichen Autosessel sitzend, mögliche Verä nderungen entdecken. Ein langer Sommer, so dachte sie, kann nicht spurlos an der Stadt vorbeigegangen sein. Doch sie sah nicht viel, und die Straßen, durch die sie fuhr, weckten in ihr nicht einmal alltä gliche Erinnerungen. Wohnen Sie etwa da draußen, oder haben Sie da nur Ihr Grundstück? fragte der Fahrer. Ich wohne da, antwortete sie, und vielleicht war eine Spur Trotz in ihrer Stimme, jawohl, Sommer wie Winter, mein verstorbener Mann war der Wä chter. Gleich tat es ihr leid, zuviel gesagt zu haben, denn der Kerl gefiel ihr ganz und gar nicht, was der für Augen hat, dachte sie, wie ein Raubvogel. PDF created with FinePrint pdfFactory Pro trial version http://www.fineprint.com
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