Учебно-методические указания по лингвостилистическому анализу художественного текста. Борисова Л.М - 13 стр.

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Und ein Einschnitt in ihr bisheriges Leben war es wohl allemal, der zweite
innerhalb von kurzer Zeit. Noch vor wenigen Jahren hatte die Alte im eigenen
Haus gewohnt, das sie und ihr Mann sich in der Jugend unter großen
Entbehrungen aufgebaut hatten. Als ihr indes nach dem Tode des Mannes die
Instandhaltung des Anwesens allein zu beschwerlich wurde, hatte sie
kurzentschlossen Haus und Grundstück verkauft und war in die Wohnung des
Kä ufers übergesiedelt, eben in die schon erwä hnte Mansarde, die, wie sie
glaubte, ihrem hohen Alter mit seinen zunehmenden Gebrechen gemäßer war.
Damals hatte sich Hulda allerdings noch bester Gesundheit erfreut. Sie war nie
in ihrem Leben ernsthaft krank gewesen, hatte nie Kinder gehabt und war
deshalb ihr Leben lang von tiefen Erschütterungen verschont geblieben, hatte
weder Kummer noch Leid erfahren oder auch nur vorübergehende
Enttä uschungen erleben müssen, wie sie das Heranreifen von Kindern mit sich
bringen allerdings hatte sie auch nie tiefes Glück empfunden. Das
ereignisarme Leben, das hinter ihr lag und das auch in ihrer Ehe nur von einer
einzigen, schnell überwundenen Krise flüchtig gestreift worden war, spiegelte
sich in ihrem Ä ußeren wider. Selbst die Achtzigjä hrige hatte noch ein rundes
Apfelgesicht, lebhafte, muntere Augen und die hurtigen Bewegungen einer
Jüngeren. Nur das leichte Gekrä usel um den schmalen Mund und das strä hnige
Haar, das an vielen Stellen die Kopfhaut durchschimmern ließ, verrieten ihr
wirkliches Alter. Doch trug sie damals der Mode entsprechend das Haar unter
einer Perücke verborgen, die sie sich von ihren Westverwandten schicken ließ,
so daß sie für den flüchtigen Betrachter leicht als hohe Sechzigerin durchgehen
mochte.
Wie gesagt, es lag sicher an ihrer damaligen guten Verfassung, daß sie den
Mä ngeln in der neuen Wohnung, die sich spä ter so verhä ngnisvoll für sie
auswirkten, zu wenig Beachtung schenkte. So verfügte das schlichte
Einfamilienhaus, das nach dem Tode des einstigen Besitzers an die Gemeinde
gefallen war und von dieser seither an zwei Parteien vermietet wurde, nur über
ein einziges, im Parterre gelegenes Bad und, was schlimmer war, nur über eine
Toilette. Hulda mußte also, um sich zu erleichtern, mehrmals täglich die steile
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                Und ein Einschnitt in ihr bisheriges Leben war es wohl allemal, der zweite
                innerhalb von kurzer Zeit. Noch vor wenigen Jahren hatte die Alte im eigenen
                Haus gewohnt, das sie und ihr Mann sich in der Jugend unter großen
                Entbehrungen aufgebaut hatten. Als ihr indes nach dem Tode des Mannes die
                Instandhaltung des Anwesens allein zu beschwerlich wurde, hatte sie
                kurzentschlossen Haus und Grundstück verkauft und war in die Wohnung des
                Kä ufers übergesiedelt, eben in die schon erwä hnte Mansarde, die, wie sie
                glaubte, ihrem hohen Alter mit seinen zunehmenden Gebrechen gemä ßer war.
                Damals hatte sich Hulda allerdings noch bester Gesundheit erfreut. Sie war nie
                in ihrem Leben ernsthaft krank gewesen, hatte nie Kinder gehabt und war
                deshalb ihr Leben lang von tiefen Erschütterungen verschont geblieben, hatte
                weder Kummer noch          Leid erfahren oder       auch   nur     vorübergehende
                Enttä uschungen erleben müssen, wie sie das Heranreifen von Kindern mit sich
                bringen – allerdings hatte sie auch nie tiefes Glück empfunden. Das
                ereignisarme Leben, das hinter ihr lag und das auch in ihrer Ehe nur von einer
                einzigen, schnell überwundenen Krise flüchtig gestreift worden war, spiegelte
                sich in ihrem Ä ußeren wider. Selbst die Achtzigjä hrige hatte noch ein rundes
                Apfelgesicht, lebhafte, muntere Augen und die hurtigen Bewegungen einer
                Jüngeren. Nur das leichte Gekrä usel um den schmalen Mund und das strä hnige
                Haar, das an vielen Stellen die Kopfhaut durchschimmern ließ, verrieten ihr
                wirkliches Alter. Doch trug sie damals der Mode entsprechend das Haar unter
                einer Perücke verborgen, die sie sich von ihren Westverwandten schicken ließ,
                so daß sie für den flüchtigen Betrachter leicht als hohe Sechzigerin durchgehen
                mochte.
                Wie gesagt, es lag sicher an ihrer damaligen guten Verfassung, daß sie den
                Mä ngeln in der neuen Wohnung, die sich spä ter so verhä ngnisvoll für sie
                auswirkten, zu wenig Beachtung schenkte. So verfügte das schlichte
                Einfamilienhaus, das nach dem Tode des einstigen Besitzers an die Gemeinde
                gefallen war und von dieser seither an zwei Parteien vermietet wurde, nur über
                ein einziges, im Parterre gelegenes Bad und, was schlimmer war, nur über eine
                Toilette. Hulda mußte also, um sich zu erleichtern, mehrmals tä glich die steile

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