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Und ein Einschnitt in ihr bisheriges Leben war es wohl allemal, der zweite
innerhalb von kurzer Zeit. Noch vor wenigen Jahren hatte die Alte im eigenen
Haus gewohnt, das sie und ihr Mann sich in der Jugend unter großen
Entbehrungen aufgebaut hatten. Als ihr indes nach dem Tode des Mannes die
Instandhaltung des Anwesens allein zu beschwerlich wurde, hatte sie
kurzentschlossen Haus und Grundstück verkauft und war in die Wohnung des
Kä ufers übergesiedelt, eben in die schon erwä hnte Mansarde, die, wie sie
glaubte, ihrem hohen Alter mit seinen zunehmenden Gebrechen gemäßer war.
Damals hatte sich Hulda allerdings noch bester Gesundheit erfreut. Sie war nie
in ihrem Leben ernsthaft krank gewesen, hatte nie Kinder gehabt und war
deshalb ihr Leben lang von tiefen Erschütterungen verschont geblieben, hatte
weder Kummer noch Leid erfahren oder auch nur vorübergehende
Enttä uschungen erleben müssen, wie sie das Heranreifen von Kindern mit sich
bringen – allerdings hatte sie auch nie tiefes Glück empfunden. Das
ereignisarme Leben, das hinter ihr lag und das auch in ihrer Ehe nur von einer
einzigen, schnell überwundenen Krise flüchtig gestreift worden war, spiegelte
sich in ihrem Ä ußeren wider. Selbst die Achtzigjä hrige hatte noch ein rundes
Apfelgesicht, lebhafte, muntere Augen und die hurtigen Bewegungen einer
Jüngeren. Nur das leichte Gekrä usel um den schmalen Mund und das strä hnige
Haar, das an vielen Stellen die Kopfhaut durchschimmern ließ, verrieten ihr
wirkliches Alter. Doch trug sie damals der Mode entsprechend das Haar unter
einer Perücke verborgen, die sie sich von ihren Westverwandten schicken ließ,
so daß sie für den flüchtigen Betrachter leicht als hohe Sechzigerin durchgehen
mochte.
Wie gesagt, es lag sicher an ihrer damaligen guten Verfassung, daß sie den
Mä ngeln in der neuen Wohnung, die sich spä ter so verhä ngnisvoll für sie
auswirkten, zu wenig Beachtung schenkte. So verfügte das schlichte
Einfamilienhaus, das nach dem Tode des einstigen Besitzers an die Gemeinde
gefallen war und von dieser seither an zwei Parteien vermietet wurde, nur über
ein einziges, im Parterre gelegenes Bad und, was schlimmer war, nur über eine
Toilette. Hulda mußte also, um sich zu erleichtern, mehrmals täglich die steile
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13 Und ein Einschnitt in ihr bisheriges Leben war es wohl allemal, der zweite innerhalb von kurzer Zeit. Noch vor wenigen Jahren hatte die Alte im eigenen Haus gewohnt, das sie und ihr Mann sich in der Jugend unter großen Entbehrungen aufgebaut hatten. Als ihr indes nach dem Tode des Mannes die Instandhaltung des Anwesens allein zu beschwerlich wurde, hatte sie kurzentschlossen Haus und Grundstück verkauft und war in die Wohnung des Kä ufers übergesiedelt, eben in die schon erwä hnte Mansarde, die, wie sie glaubte, ihrem hohen Alter mit seinen zunehmenden Gebrechen gemä ßer war. Damals hatte sich Hulda allerdings noch bester Gesundheit erfreut. Sie war nie in ihrem Leben ernsthaft krank gewesen, hatte nie Kinder gehabt und war deshalb ihr Leben lang von tiefen Erschütterungen verschont geblieben, hatte weder Kummer noch Leid erfahren oder auch nur vorübergehende Enttä uschungen erleben müssen, wie sie das Heranreifen von Kindern mit sich bringen – allerdings hatte sie auch nie tiefes Glück empfunden. Das ereignisarme Leben, das hinter ihr lag und das auch in ihrer Ehe nur von einer einzigen, schnell überwundenen Krise flüchtig gestreift worden war, spiegelte sich in ihrem Ä ußeren wider. Selbst die Achtzigjä hrige hatte noch ein rundes Apfelgesicht, lebhafte, muntere Augen und die hurtigen Bewegungen einer Jüngeren. Nur das leichte Gekrä usel um den schmalen Mund und das strä hnige Haar, das an vielen Stellen die Kopfhaut durchschimmern ließ, verrieten ihr wirkliches Alter. Doch trug sie damals der Mode entsprechend das Haar unter einer Perücke verborgen, die sie sich von ihren Westverwandten schicken ließ, so daß sie für den flüchtigen Betrachter leicht als hohe Sechzigerin durchgehen mochte. Wie gesagt, es lag sicher an ihrer damaligen guten Verfassung, daß sie den Mä ngeln in der neuen Wohnung, die sich spä ter so verhä ngnisvoll für sie auswirkten, zu wenig Beachtung schenkte. So verfügte das schlichte Einfamilienhaus, das nach dem Tode des einstigen Besitzers an die Gemeinde gefallen war und von dieser seither an zwei Parteien vermietet wurde, nur über ein einziges, im Parterre gelegenes Bad und, was schlimmer war, nur über eine Toilette. Hulda mußte also, um sich zu erleichtern, mehrmals tä glich die steile PDF created with FinePrint pdfFactory Pro trial version http://www.fineprint.com