Учебно-методические указания по лингвостилистическому анализу художественного текста. Борисова Л.М - 3 стр.

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BERND SCHIRMER
JETZT
Jetzt erzä hle ich von Frau Heinrich, und ich pfeife darauf, woher der Erzä hler
das alles weiß. Frau Heinrich hat eine Zweizimmerwohnung, das vorweg, und
die wurde nach der Scheidung ihr zugesprochen, wegen der Kinder. Das ist
zwanwig Monate her. Der Vater der Kinder lebt in einer anderen Stadt, er wird
selten erwähnt. Wenn er zu den Kindern kommt, ist er da. Wenn nicht, dann
nicht. Er steuert bei, was er beizusteuern hat, und zu den Geburtstagen schickt er
den Kindern Pä ckchen. Frau Heinrich hat nicht wieder geheiratet.
Aber jetzt fängt die Geschichte an. Jetzt öffnet Frau Heinrich eine Tür, erst
einen Spalt, dann ganz. Sie hat etwas gehört, aber es ist nichts. Sie tritt aus dem
Zimmer, schließt lautlos die Tür und geht die wenigen Schritte zum
Kinderzimmer. Die Kinder liegen aufgedeckt, sie deckt sie zu. Dann geht sie ins
Bad. Sie hätte sowieso bald aufstehen müssen, nun bleibt sie auf.
Jetzt steht sie vor dem Spiegel. Sie zieht sich das Nachthemd über den Kopf und
betrachtet sich einige Zeit. Eigentlich ist sie noch jung, und die Büchmann hat
gesagt: Wie du das so aushä ltst, ich würde das nie aushalten, ich seh auch keinen
Grund dafür. An den Nä hmaschinen ist gekichert und getuschelt worden, wer es
aushä lt, so, ohne zu, und mehrere Jahre, ein Zufall sei es dann nicht, daß ihr der
Mann weggelaufen ist. Aber die alte Nestler hatte abgewinkt, laß sie reden, was
wissen denn die, und die Hahnfuß, ihre Freundin, gleichfalls geschieden, die
hatte gesagt: Aus Liebe nicht mehr, aus Freundschaft, gut, das ist eine andere
Sache. Aber die Hahnfuß redet auch bloß so daher, überhaupt reden alle so
daher, genau wie die Nä hmaschinen daherschnarren, immer dasselbe.
Frau Heinrich, Margarita, wäscht sich jetzt mit kaltem Wasser skeptisch die
Brüste. Aber auf einmal ist sie froh. Sie ist froh wie lange nicht. Als hätte sie
alle überlistet, die Büchmann, die Hahnfuß. Und sich selber. Sie füllt, wie jeden
Morgen, lauwarmes Wasser in die beiden Zahnputzbecher und drückt auf die
Zahnbürste von Astrid zwei Zentimeter Zahnpasta, auf die von Stefan einen
Zentimeter. Sie zieht sich rasch an. Es ist alles wie sonst, und es ist nicht wie
sonst.
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                Jetzt erzä hle ich von Frau Heinrich, und ich pfeife darauf, woher der Erzä hler
                das alles weiß. Frau Heinrich hat eine Zweizimmerwohnung, das vorweg, und
                die wurde nach der Scheidung ihr zugesprochen, wegen der Kinder. Das ist
                zwanwig Monate her. Der Vater der Kinder lebt in einer anderen Stadt, er wird
                selten erwä hnt. Wenn er zu den Kindern kommt, ist er da. Wenn nicht, dann
                nicht. Er steuert bei, was er beizusteuern hat, und zu den Geburtstagen schickt er
                den Kindern Pä ckchen. Frau Heinrich hat nicht wieder geheiratet.
                Aber jetzt fä ngt die Geschichte an. Jetzt öffnet Frau Heinrich eine Tür, erst
                einen Spalt, dann ganz. Sie hat etwas gehört, aber es ist nichts. Sie tritt aus dem
                Zimmer, schließt lautlos die Tür und geht die wenigen Schritte zum
                Kinderzimmer. Die Kinder liegen aufgedeckt, sie deckt sie zu. Dann geht sie ins
                Bad. Sie hä tte sowieso bald aufstehen müssen, nun bleibt sie auf.
                Jetzt steht sie vor dem Spiegel. Sie zieht sich das Nachthemd über den Kopf und
                betrachtet sich einige Zeit. Eigentlich ist sie noch jung, und die Büchmann hat
                gesagt: Wie du das so aushä ltst, ich würde das nie aushalten, ich seh auch keinen
                Grund dafür. An den Nä hmaschinen ist gekichert und getuschelt worden, wer es
                aushä lt, so, ohne zu, und mehrere Jahre, ein Zufall sei es dann nicht, daß ihr der
                Mann weggelaufen ist. Aber die alte Nestler hatte abgewinkt, laß sie reden, was
                wissen denn die, und die Hahnfuß, ihre Freundin, gleichfalls geschieden, die
                hatte gesagt: Aus Liebe nicht mehr, aus Freundschaft, gut, das ist eine andere
                Sache. Aber die Hahnfuß redet auch bloß so daher, überhaupt reden alle so
                daher, genau wie die Nä hmaschinen daherschnarren, immer dasselbe.
                Frau Heinrich, Margarita, wä scht sich jetzt mit kaltem Wasser skeptisch die
                Brüste. Aber auf einmal ist sie froh. Sie ist froh wie lange nicht. Als hä tte sie
                alle überlistet, die Büchmann, die Hahnfuß. Und sich selber. Sie füllt, wie jeden
                Morgen, lauwarmes Wasser in die beiden Zahnputzbecher und drückt auf die
                Zahnbürste von Astrid zwei Zentimeter Zahnpasta, auf die von Stefan einen
                Zentimeter. Sie zieht sich rasch an. Es ist alles wie sonst, und es ist nicht wie
                sonst.

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