Учебно-методические указания по лингвостилистическому анализу художественного текста. Борисова Л.М - 6 стр.

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Kannen am blaugestrichenen Essenschalter; die Kannen dampften; es war acht
vor neun. Die Dinger hielten, zurückgebogen, die Kannen einen Augenblick
unschlüssig, dann schauten sie zur Blechuhr mit den verschnörkelten Zeigern
und stellten die Kannen auf den Schalter zurück. Die Alten saßen. Sieben
vor neun.
Die Kannen dampften.
Die Alten saßen und rauchten und schwiegen; sie saßen steif; der Rauch war arg,
doch in ihrem Schweigen konnte man heimisch werden, wenn man es
unverschlossen teilte. Ich nahm mir die Freiheit, sie anzusehen. Sie waren
Legenden, unaustauschbar geprägt und doch schwer zu unterscheiden, und
gä nzlich aus den Bildnissen ablesbar. Leben im Salz. Jeder hatte die Hä nde
vor sich auf dem Tisch, vom Salz geledert wie ihre Gesichter, lange, langfaltige,
hagre Gesichter, trotz der Rasur schon wieder stopplig, eisgrau gleich dem platt
aufliegenden, zumeist spä rlichen Haar. Manchmal sah der und jener die
Fotografie an, ohne sie in die Hand zu nehmen; er sah dann auf sie wie auf ein
Schicksal, das ja vornehmlich die Gestalt von Bauwerken annimmt: das
Geburtshaus; die Schule; die Kirche; der Tanzboden; die Kaserne; die
Arbeitsstätte; die Wohnung; das Grab. Einer, mir schrä g gegenüber an der
anderen Tischfront, neigte sich, starrer Hals, in der Hüfte zur Seite; er blickte
den Förderturm hinauf, und da sah ich den Raum tief unten im Dunkel, die
Wä nde und Pfeiler Stöße des Salzsteins, und der Rauch der Pfeifen und
Zigaretten trieb als der ewige Staub der Grube: wehende Schleier von Salz, die
ä tzten und brannten, wen sie umschmiegten. Vielleicht trug er auf der Brust
noch Narben; sie gehören zu denen, die man verbirgt. In der Grube sieht man die
Geschwüre. Er blieb so sitzen, schief, mit halboffnem Mund; er kniff die
Augen zu; zogen jetzt Bilder? Keine Bewegung in seinen Mienen. Im Saal
leises Scharren; Räuspern und Husten; die Stille der Grube kurz vor dem
Sprengen, aber zum Schweigen gehörte auch, daß ein paar Worte gewechselt
wurden, immer zum Nebenmann, nie über den Tisch; immer mit waagrechten
Gesten; nie laut. Auf dem Tisch standen Teller mit Schinkensemmeln; sie waren
fürsorgerlich angerichtet, mit geschnitzelten Gurken und Petersilie, die es um
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                Kannen am blaugestrichenen Essenschalter; die Kannen dampften; es war acht
                vor neun. Die Dinger hielten, zurückgebogen, die Kannen einen Augenblick
                unschlüssig, dann schauten sie zur Blechuhr mit den verschnörkelten Zeigern
                und stellten die Kannen auf den Schalter zurück. – Die Alten saßen. – Sieben
                vor neun.
                Die Kannen dampften.
                Die Alten saßen und rauchten und schwiegen; sie saßen steif; der Rauch war arg,
                doch in ihrem Schweigen konnte man heimisch werden, wenn man es
                unverschlossen teilte. – Ich nahm mir die Freiheit, sie anzusehen. – Sie waren
                Legenden, unaustauschbar geprä gt und doch schwer zu unterscheiden, und
                gä nzlich aus den Bildnissen ablesbar. – Leben im Salz. – Jeder hatte die Hä nde
                vor sich auf dem Tisch, vom Salz geledert wie ihre Gesichter, lange, langfaltige,
                hagre Gesichter, trotz der Rasur schon wieder stopplig, eisgrau gleich dem platt
                aufliegenden, zumeist spä rlichen Haar. – Manchmal sah der und jener die
                Fotografie an, ohne sie in die Hand zu nehmen; er sah dann auf sie wie auf ein
                Schicksal, das ja vornehmlich die Gestalt von Bauwerken annimmt: das
                Geburtshaus; die Schule; die Kirche; der Tanzboden; die Kaserne; die
                Arbeitsstä tte; die Wohnung; das Grab. – Einer, mir schrä g gegenüber an der
                anderen Tischfront, neigte sich, starrer Hals, in der Hüfte zur Seite; er blickte
                den Förderturm hinauf, und da sah ich den Raum tief unten im Dunkel, die
                Wä nde und Pfeiler Stöße des Salzsteins, und der Rauch der Pfeifen           und
                Zigaretten trieb als der ewige Staub der Grube: wehende Schleier von Salz, die
                ä tzten und brannten, wen sie umschmiegten. – Vielleicht trug er auf der Brust
                noch Narben; sie gehören zu denen, die man verbirgt. In der Grube sieht man die
                Geschwüre. – Er blieb so sitzen, schief, mit halboffnem Mund; er kniff die
                Augen zu; zogen jetzt Bilder? – Keine Bewegung in seinen Mienen. – Im Saal
                leises Scharren; Rä uspern und Husten; die Stille der Grube kurz vor dem
                Sprengen, aber zum Schweigen gehörte auch, daß ein paar Worte gewechselt
                wurden, immer zum Nebenmann, nie über den Tisch; immer mit waagrechten
                Gesten; nie laut. Auf dem Tisch standen Teller mit Schinkensemmeln; sie waren
                fürsorgerlich angerichtet, mit geschnitzelten Gurken und Petersilie, die es um

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