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Diederich nach ihnen die Zunge aus und stampfte. Er war sich bewußt: «Ich
habe Prügel bekommen, aber von meinem Papa. Ihr wäret froh, wenn ihr auch
Prügel von ihm bekommen könntet. Aber dafür seid ihr viel zuwenig». Er
bewegte sich zwischen ihnen wie ein launenhafter Pascha; drohte ihnen bald, es
dem Vater zu melden, daß sie sich Bier holten, und bald ließ er kokett aus sich
die Stunde herausschmeicheln, zu der Herr Heßling zurückkehren sollte. Sie
waren auf der Hut vor dem Prinzipal: er kannte sie, er hatte selbst gearbeitet. Er
war Büttenschöpfer gewesen in den alten Mühlen, wo jeder Bogen mit der Hand
geformt ward; hatte dazwischen alle Kriege mitgemacht und nach dem letzten,
als jeder Geld fand, eine Papiermaschine kaufen können. Ein Holländer und eine
Schneidemaschine vervollständigten die Einrichtung. Er selbst zählte die Bogen
nach. Die von den Lumpen abgetrennten Knöpfe durften ihm nicht entgehen.
Sein kleiner Sohn ließ sich oft von den Frauen welche zustecken, dafür, daß er
die nicht angab, die einige mitnahmen. Eines Tages hatte er so viele beisammen,
daß ihm der Gedanke kam, sie beim Krämer gegen Bonbons umzutauschen. Es
gelang – aber am Abend kniete Diederich, indes er den letzten Malzzucker
zerlutschte, sich ins Bett und betete, angstgeschüttelt, zu dem schrecklichen
lieben Gott, er möge das Verbrechen unentdeckt lassen. Er brachte es dennoch
an den Tag. Dem Vater, der immer nur methodisch, Ehrenfestigkeit und Pflicht
auf dem verwitterten Unteroffiziersgesicht, den Stock geführt hatte, zuckte
diesmal die Hand, und in die eine Bürste seines silberigen Kaiserbartes lief, über
die Runzeln hüpfend, eine Träne. «Mein Sohn hat gestohlen», sagte er außer
Atem, mit dumpfer Stimme, und sah sich das Kind an wie einen verdächtigen
Eindringling. «Du betrügst und stiehlst. Du brauchst nur noch einen Menschen
totzuschlagen».
Frau Heßling wollte Diederich nötigen, vor dem Vater hinzufallen und ihn
um Verzeihung zu bitten, weil der Vater seinetwegen geweint habe! Aber
Diederichs Instinkt sagte ihm, daß dies den Vater nur noch mehr erbost haben
würde. Mit der gefühlsseligen Art seiner Frau war Heßling durchaus nicht
einverstanden. Sie verdarb das Kind fürs Leben. Übrigens ertappte er sie
geradeso auf Lügen wie den Diedel. Kein Wunder, da sie Romane las! Am
Sonnabendabend war nicht immer die Wochenarbeit getan, die ihr aufgegeben
war. Sie klatschte, anstatt sich zu rühren, mit dem Mädchen... Und Heßling
wußte noch nicht einmal, daß seine Frau auch naschte, gerade wie das Kind. Bei
Tisch wagte sie sich nicht satt zu essen und schlich nachträglich an den Schrank.
Hätte sie sich in die Werkstätte getraut, würde sie auch Knöpfe gestohlen haben.
Sie betete mit dem Kind «aus dem Herzen», nicht nach Formeln, und
bekam dabei gerötete Wangenknochen. Sie schlug es auch, aber Hals über Kopf
und verzerrt von Rachsucht. Oft war sie dabei im Unrecht. Dann drohte
Diederich, sie beim Vater zu verklagen; tat so, als ginge er ins Kontor, und
freute sich irgendwo hinter einer Mauer, daß sie nun Angst hatte. Ihre zärtlichen
Stunden nützte er aus; aber er fühlte gar keine Achtung vor seiner Mutter. Ihre
Ähnlichkeit mit ihm selbst verbot es ihm. Denn er achtete sich selbst nicht, dafür
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Diederich nach ihnen die Zunge aus und stampfte. Er war sich bewußt: «Ich habe Prügel bekommen, aber von meinem Papa. Ihr wäret froh, wenn ihr auch Prügel von ihm bekommen könntet. Aber dafür seid ihr viel zuwenig». Er bewegte sich zwischen ihnen wie ein launenhafter Pascha; drohte ihnen bald, es dem Vater zu melden, daß sie sich Bier holten, und bald ließ er kokett aus sich die Stunde herausschmeicheln, zu der Herr Heßling zurückkehren sollte. Sie waren auf der Hut vor dem Prinzipal: er kannte sie, er hatte selbst gearbeitet. Er war Büttenschöpfer gewesen in den alten Mühlen, wo jeder Bogen mit der Hand geformt ward; hatte dazwischen alle Kriege mitgemacht und nach dem letzten, als jeder Geld fand, eine Papiermaschine kaufen können. Ein Holländer und eine Schneidemaschine vervollständigten die Einrichtung. Er selbst zählte die Bogen nach. Die von den Lumpen abgetrennten Knöpfe durften ihm nicht entgehen. Sein kleiner Sohn ließ sich oft von den Frauen welche zustecken, dafür, daß er die nicht angab, die einige mitnahmen. Eines Tages hatte er so viele beisammen, daß ihm der Gedanke kam, sie beim Krämer gegen Bonbons umzutauschen. Es gelang aber am Abend kniete Diederich, indes er den letzten Malzzucker zerlutschte, sich ins Bett und betete, angstgeschüttelt, zu dem schrecklichen lieben Gott, er möge das Verbrechen unentdeckt lassen. Er brachte es dennoch an den Tag. Dem Vater, der immer nur methodisch, Ehrenfestigkeit und Pflicht auf dem verwitterten Unteroffiziersgesicht, den Stock geführt hatte, zuckte diesmal die Hand, und in die eine Bürste seines silberigen Kaiserbartes lief, über die Runzeln hüpfend, eine Träne. «Mein Sohn hat gestohlen», sagte er außer Atem, mit dumpfer Stimme, und sah sich das Kind an wie einen verdächtigen Eindringling. «Du betrügst und stiehlst. Du brauchst nur noch einen Menschen totzuschlagen». Frau Heßling wollte Diederich nötigen, vor dem Vater hinzufallen und ihn um Verzeihung zu bitten, weil der Vater seinetwegen geweint habe! Aber Diederichs Instinkt sagte ihm, daß dies den Vater nur noch mehr erbost haben würde. Mit der gefühlsseligen Art seiner Frau war Heßling durchaus nicht einverstanden. Sie verdarb das Kind fürs Leben. Übrigens ertappte er sie geradeso auf Lügen wie den Diedel. Kein Wunder, da sie Romane las! Am Sonnabendabend war nicht immer die Wochenarbeit getan, die ihr aufgegeben war. Sie klatschte, anstatt sich zu rühren, mit dem Mädchen... Und Heßling wußte noch nicht einmal, daß seine Frau auch naschte, gerade wie das Kind. Bei Tisch wagte sie sich nicht satt zu essen und schlich nachträglich an den Schrank. Hätte sie sich in die Werkstätte getraut, würde sie auch Knöpfe gestohlen haben. Sie betete mit dem Kind «aus dem Herzen», nicht nach Formeln, und bekam dabei gerötete Wangenknochen. Sie schlug es auch, aber Hals über Kopf und verzerrt von Rachsucht. Oft war sie dabei im Unrecht. Dann drohte Diederich, sie beim Vater zu verklagen; tat so, als ginge er ins Kontor, und freute sich irgendwo hinter einer Mauer, daß sie nun Angst hatte. Ihre zärtlichen Stunden nützte er aus; aber er fühlte gar keine Achtung vor seiner Mutter. Ihre Ähnlichkeit mit ihm selbst verbot es ihm. Denn er achtete sich selbst nicht, dafür 40
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