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Endlich hat man eine dritte Sage, welche den Teufel mit des Meisters Frau
Buhlschaft treiben läßt, wodurch er vermutlich, wie in der ersten, hinter das
Baugeheimnis ihres Mannes kam.
Text 15
Peter Bichsel
Die Tochter
Abends warteten sie auf Monika. Sie arbeitete in der Stadt, die
Bahnverbindungen sind schlecht. Sie, er und seine Frau, saßen am Tisch und
warteten auf Monika. Seit sie in der Stadt arbeitete, aßen sie erst um halb acht.
Früher hatten sie eine Stunde eher gegessen. Jetzt warten sie täglich eine Stunde
am gedeckten Tisch, an ihren Plätzen, der Vater oben, die Mutter auf dem Stuhl
nahe der Küchentür, sie warteten vor dem leeren Platz Monikas. Einige Zeit
später dann auch vor dem dampfenden Kaffee, vor der Butter, dem Brot, der
Marmelade.
Sie war größer gewachsen als sie, sie war auch blonder und hatte die Haut,
die feine Haut der Tante Maria. «Sie war immer ein liebes Kind», sagte die
Mutter, während sie warteten.
In ihrem Zimmer hatte sie einen Plattenspieler, und sie brachte oft Platten
mit aus der Stadt, und sie wußte, wer darauf sang. Sie hatte auch einen Spiegel
und verschiedene Fläschchen und Döschen, einen Hocker aus marokkanischem
Leder, eine Schachtel Zigaretten.
Der Vater holte sich seine Lohntüte auch bei einem Bürofräulein. Er sah
dann die vielen Stempel auf einem Gestell, bestaunte das sanfte Geräusch der
Rechenmaschine, die blondierten Haare des Fräuleins, sie sagte freundlich
«Bitte schön», wenn er sich bedankte.
Über Mittag blieb Monika in der Stadt, sie aß eine Kleinigkeit, wie sie
sagte, in einem Tearoom. Sie war dann ein Fräulein, das in Tearooms lächelnd
Zigaretten raucht.
Oft fragten sie sie, was sie alles getan habe in der Stadt, im Büro. Sie wußte
aber nichts zu sagen.
Dann versuchten sie wenigstens, sich genau vorzustellen, wie sie beiläufig
in der Bahn ihr rotes Etui mit dem Abonnement aufschlägt und vorweist, wie sie
den Bahnsteig entlang geht, wie sie den Gruß eines Herrn lächelnd erwidert.
Und dann stellten sie sich mehrmals vor in dieser Stunde, wie sie
heimkommt, die Tasche und ein Modejournal unter dem Arm, ihr Parfüm;
stellten sich vor, wie sie sich an ihren Platz setzt, wie sie dann zusammen essen
würden.
Bald wird sie sich in der Stadt ein Zimmer nehmen, das wußten sie, und
daß sie dann wieder um halb sieben essen würden, daß der Vater nach der Arbeit
wieder seine Zeitung lesen würde, daß es dann kein Zimmer mehr mit
Plattenspieler gäbe, keine Stunde des Wartens mehr. Auf dem Schrank stand
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Endlich hat man eine dritte Sage, welche den Teufel mit des Meisters Frau Buhlschaft treiben läßt, wodurch er vermutlich, wie in der ersten, hinter das Baugeheimnis ihres Mannes kam. Text 15 Peter Bichsel Die Tochter Abends warteten sie auf Monika. Sie arbeitete in der Stadt, die Bahnverbindungen sind schlecht. Sie, er und seine Frau, saßen am Tisch und warteten auf Monika. Seit sie in der Stadt arbeitete, aßen sie erst um halb acht. Früher hatten sie eine Stunde eher gegessen. Jetzt warten sie täglich eine Stunde am gedeckten Tisch, an ihren Plätzen, der Vater oben, die Mutter auf dem Stuhl nahe der Küchentür, sie warteten vor dem leeren Platz Monikas. Einige Zeit später dann auch vor dem dampfenden Kaffee, vor der Butter, dem Brot, der Marmelade. Sie war größer gewachsen als sie, sie war auch blonder und hatte die Haut, die feine Haut der Tante Maria. «Sie war immer ein liebes Kind», sagte die Mutter, während sie warteten. In ihrem Zimmer hatte sie einen Plattenspieler, und sie brachte oft Platten mit aus der Stadt, und sie wußte, wer darauf sang. Sie hatte auch einen Spiegel und verschiedene Fläschchen und Döschen, einen Hocker aus marokkanischem Leder, eine Schachtel Zigaretten. Der Vater holte sich seine Lohntüte auch bei einem Bürofräulein. Er sah dann die vielen Stempel auf einem Gestell, bestaunte das sanfte Geräusch der Rechenmaschine, die blondierten Haare des Fräuleins, sie sagte freundlich «Bitte schön», wenn er sich bedankte. Über Mittag blieb Monika in der Stadt, sie aß eine Kleinigkeit, wie sie sagte, in einem Tearoom. Sie war dann ein Fräulein, das in Tearooms lächelnd Zigaretten raucht. Oft fragten sie sie, was sie alles getan habe in der Stadt, im Büro. Sie wußte aber nichts zu sagen. Dann versuchten sie wenigstens, sich genau vorzustellen, wie sie beiläufig in der Bahn ihr rotes Etui mit dem Abonnement aufschlägt und vorweist, wie sie den Bahnsteig entlang geht, wie sie den Gruß eines Herrn lächelnd erwidert. Und dann stellten sie sich mehrmals vor in dieser Stunde, wie sie heimkommt, die Tasche und ein Modejournal unter dem Arm, ihr Parfüm; stellten sich vor, wie sie sich an ihren Platz setzt, wie sie dann zusammen essen würden. Bald wird sie sich in der Stadt ein Zimmer nehmen, das wußten sie, und daß sie dann wieder um halb sieben essen würden, daß der Vater nach der Arbeit wieder seine Zeitung lesen würde, daß es dann kein Zimmer mehr mit Plattenspieler gäbe, keine Stunde des Wartens mehr. Auf dem Schrank stand 42
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