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Sterben – dachte er – sterben, daß ich nicht mehr lachen muß! Ist das
Sterben, wenn man seine Stirne falten darf? Ist das Sterben? fragte er
stumm.
Das Kind streckte seinen Fuß ein wenig vor, als wollte es tanzen. Er
warf einen Blick zurück. Die Erwachsenen waren in ihr Gespräch ver-
tieft und beachteten es nicht. Sie redeten jetzt alle auf einmal, um gegen
die Stille der Station aufzukommen. Das Kind ging an den Rand, be-
trachtete die Schienen und lächelte hinunter, ohne die Tiefe zu messen.
Es hob den Fuß ein Stück über den Rand und zog ihn wieder zurück.
Dann lachte es wieder zu dem Jungen hinüber, um ihm das Spiel zu er-
leichtern.
“Was meinst du?” fragte sein Lachen zurück. Das kleine Mädchen
hob die Schürze ein wenig. Es wollte mit ihm tanzen. Aber wie sollte er
tanzen, wenn er nicht sterben konnte, wenn er immer so bleiben mußte,
jung und schön, die Arme erhoben, halbnackt im weißen Gischt? Wenn
er sich niemals in die See werfen konnte, um auf die andere Seite zu
tauchen, wenn er niemals zurück an Land gehen durfte, um seine Klei-
der zu holen, die im gelben Sand versteckt lagen? Wenn das Wort Ju-
gend immer über seinem Kopf hing wie ein Schwert, das nicht fallen
wollte? Wie sollte er mit dem kleinen Mädchen tanzen, wenn das Betre-
ten der Schienen verboten war?
Aus der Ferne hörte man das Anrollen des nächsten Zuges, vielmehr
hörte man es nicht, es war nur, als hätte sich die Stille verstärkt, als hät-
te sich die Helligkeit an ihrem hellsten Punkt in einen Schwärm dunkler
Vögel verwandelt, die brausend näher kamen.
Das Kind faßte den Saum seines Kleides mit beiden Händen: “So –”,
sang es, “und so –”, und es hüpfte wie ein Vogel am Rand. Aber der
Junge bewegte sich nicht. Das Kind lächelte ungeduldig. Wieder hob es
den Fuß über den Rand, den einen – den anderen – den einen – den an-
deren –, aber der Junge konnte nicht tanzen.
“Komm!” rief das Kind. Niemand hörte es. “So!” lächelte es noch
einmal. Der Zug raste um die Kurve. Die Frau neben der Leiter bemerk-
te ihre freie Hand, ihre freie Hand warf sie herum. Sie griff nach dem
Saum eines Kleides, als wollte sie den Himmel greifen. “So!” rief das
Kind zornig und sprang auf die Schienen, bevor der Zug das Bild des
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Jungen verdecken konnte. Niemand war imstande, es zurückzureißen.
Es wollte tanzen.
In diesem Augenblick begann die See die Füße des Jungen zu net-
zen. Wunderbare Kühle stieg in seine Glieder. Spitze Kiesel stachen in
seine Sohlen. Der Schmerz jagte ihm Entzücken in die Wangen.
Zugleich fühlte er die Müdigkeit in seinen Armen, breitete sie aus und
ließ sie sinken. Gedanken falteten seine Stirne und schlossen seinen
Mund. Der Wind begann zu wehen und trieb ihm Sand und Wasser in
die Augen. Das Grün der See vertiefte sich und wurde undurchsichtig.
Und mit dem nächsten Windstoß verschwand das Wort Jugend vom
blauen Himmel und löste sich auf wie Rauch. Der Junge hob die Augen,
doch er sah nicht, wie der Mann von der Leiter sprang, als stieße ihn
jemand zurück. Er legte die Hände hinter die Ohren und lauschte, doch
er hörte nicht das Schreien der Menschen und das grelle Hupen des Ret-
tungswagens. Die See begann zu fluten.
“Ich sterbe”, dachte der Junge, “ich kann sterben!” Er atmete tief,
zum ersten Male atmete er. Eine Hand voll Sand flog ihm ins Haar und
ließ es weiß erscheinen. Er bewegte die Finger und versuchte, einen
Schritt vorwärts zu machen, wie das Kind es ihm gezeigt hatte. Er
wandte den Kopf zurück und überlegte, ob er seine Kleider holen sollte.
Er schloß die Augen und öffnete sie wieder. Da fiel sein Blick noch
einmal auf die Tafel gegenüber: “Das Betreten der Schienen ist verbo-
ten.” Und plötzlich überfiel ihn die Angst, sie könnten ihn noch einmal
erstarren lassen, lachend, mit weißen Zähnen und einem gleißenden
Fleck in jedem seiner Augen, sie könnten ihm den Sand wieder aus dem
Haar und den Atem wieder aus dem Mund nehmen, sie könnten die See
noch einmal zu einem täuschenden Streifen unter seinen Füßen machen,
worin keiner ertrinken konnte, und das Land zu einem hellen Flecken in
seinem Rücken, worauf keiner stehen konnte. Nein, er würde seine
Kleider nicht holen. Mußte die See nicht zur See werden, damit das
Land Land sein konnte? Wie hatte das Kind gesagt? So! Er versuchte zu
springen. Er stieß sich ab, kam wieder zurück und stieß sich wieder ab.
Und gerade, als er dachte, es würde ihm nie gelingen, kam ein
Windstoß von der Brücke. Die See stürzte auf die Schienen und riß den
Jungen mit sich. Der Junge sprang und riß die Küste mit sich. “Ich ster-
be”, rief er, “ich sterbe! Wer will mit mir tanzen?”
Sterben – dachte er – sterben, daß ich nicht mehr lachen muß! Ist das Jungen verdecken konnte. Niemand war imstande, es zurückzureißen. Sterben, wenn man seine Stirne falten darf? Ist das Sterben? fragte er Es wollte tanzen. stumm. In diesem Augenblick begann die See die Füße des Jungen zu net- Das Kind streckte seinen Fuß ein wenig vor, als wollte es tanzen. Er zen. Wunderbare Kühle stieg in seine Glieder. Spitze Kiesel stachen in warf einen Blick zurück. Die Erwachsenen waren in ihr Gespräch ver- seine Sohlen. Der Schmerz jagte ihm Entzücken in die Wangen. tieft und beachteten es nicht. Sie redeten jetzt alle auf einmal, um gegen Zugleich fühlte er die Müdigkeit in seinen Armen, breitete sie aus und die Stille der Station aufzukommen. Das Kind ging an den Rand, be- ließ sie sinken. Gedanken falteten seine Stirne und schlossen seinen trachtete die Schienen und lächelte hinunter, ohne die Tiefe zu messen. Mund. Der Wind begann zu wehen und trieb ihm Sand und Wasser in Es hob den Fuß ein Stück über den Rand und zog ihn wieder zurück. die Augen. Das Grün der See vertiefte sich und wurde undurchsichtig. Dann lachte es wieder zu dem Jungen hinüber, um ihm das Spiel zu er- Und mit dem nächsten Windstoß verschwand das Wort Jugend vom leichtern. blauen Himmel und löste sich auf wie Rauch. Der Junge hob die Augen, “Was meinst du?” fragte sein Lachen zurück. Das kleine Mädchen doch er sah nicht, wie der Mann von der Leiter sprang, als stieße ihn hob die Schürze ein wenig. Es wollte mit ihm tanzen. Aber wie sollte er jemand zurück. Er legte die Hände hinter die Ohren und lauschte, doch tanzen, wenn er nicht sterben konnte, wenn er immer so bleiben mußte, er hörte nicht das Schreien der Menschen und das grelle Hupen des Ret- jung und schön, die Arme erhoben, halbnackt im weißen Gischt? Wenn tungswagens. Die See begann zu fluten. er sich niemals in die See werfen konnte, um auf die andere Seite zu “Ich sterbe”, dachte der Junge, “ich kann sterben!” Er atmete tief, tauchen, wenn er niemals zurück an Land gehen durfte, um seine Klei- zum ersten Male atmete er. Eine Hand voll Sand flog ihm ins Haar und der zu holen, die im gelben Sand versteckt lagen? Wenn das Wort Ju- ließ es weiß erscheinen. Er bewegte die Finger und versuchte, einen gend immer über seinem Kopf hing wie ein Schwert, das nicht fallen Schritt vorwärts zu machen, wie das Kind es ihm gezeigt hatte. Er wollte? Wie sollte er mit dem kleinen Mädchen tanzen, wenn das Betre- wandte den Kopf zurück und überlegte, ob er seine Kleider holen sollte. ten der Schienen verboten war? Er schloß die Augen und öffnete sie wieder. Da fiel sein Blick noch Aus der Ferne hörte man das Anrollen des nächsten Zuges, vielmehr einmal auf die Tafel gegenüber: “Das Betreten der Schienen ist verbo- hörte man es nicht, es war nur, als hätte sich die Stille verstärkt, als hät- ten.” Und plötzlich überfiel ihn die Angst, sie könnten ihn noch einmal te sich die Helligkeit an ihrem hellsten Punkt in einen Schwärm dunkler erstarren lassen, lachend, mit weißen Zähnen und einem gleißenden Vögel verwandelt, die brausend näher kamen. Fleck in jedem seiner Augen, sie könnten ihm den Sand wieder aus dem Das Kind faßte den Saum seines Kleides mit beiden Händen: “So –”, Haar und den Atem wieder aus dem Mund nehmen, sie könnten die See sang es, “und so –”, und es hüpfte wie ein Vogel am Rand. Aber der noch einmal zu einem täuschenden Streifen unter seinen Füßen machen, Junge bewegte sich nicht. Das Kind lächelte ungeduldig. Wieder hob es worin keiner ertrinken konnte, und das Land zu einem hellen Flecken in den Fuß über den Rand, den einen – den anderen – den einen – den an- seinem Rücken, worauf keiner stehen konnte. Nein, er würde seine deren –, aber der Junge konnte nicht tanzen. Kleider nicht holen. Mußte die See nicht zur See werden, damit das “Komm!” rief das Kind. Niemand hörte es. “So!” lächelte es noch Land Land sein konnte? Wie hatte das Kind gesagt? So! Er versuchte zu einmal. Der Zug raste um die Kurve. Die Frau neben der Leiter bemerk- springen. Er stieß sich ab, kam wieder zurück und stieß sich wieder ab. te ihre freie Hand, ihre freie Hand warf sie herum. Sie griff nach dem Und gerade, als er dachte, es würde ihm nie gelingen, kam ein Saum eines Kleides, als wollte sie den Himmel greifen. “So!” rief das Windstoß von der Brücke. Die See stürzte auf die Schienen und riß den Kind zornig und sprang auf die Schienen, bevor der Zug das Bild des Jungen mit sich. Der Junge sprang und riß die Küste mit sich. “Ich ster- be”, rief er, “ich sterbe! Wer will mit mir tanzen?” 79 80
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