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die „Freiheit des Gewissens und religiöser Assoziationen“ bezeichnet die Or-
thodoxie „als untrennbaren Bestandteil des allrußländischen, historischen,
geistigen und kulturellen Erbes“. Ziel des Religionsgesetzes ist: Rußland vor
extremistischen, überwiegend aus dem Westen kommenden Sekten zu schüt-
zen. Nationalisten und Kommunisten verstehen das Gesetz als Teil des Kamp-
fes für Rußlands Selbständigkeit gegenüber dem Westen. Deshalb waren sie zu
keinem Kompromiß gegenüber religiösen Gemeinschaften aus dem Westen
bereit, wie Protestanten oder Katholiken, die seither um ihre Strukturen in
Rußland fürchten. Kommunistenchef Sjuganow argumentierte, das Gesetz be-
schneide die Rechte derer, „die bereits das Land der Russen aufgekauft haben
und die jetzt kommen, um auch noch die Seelen der Russen zu holen“. General
Lebed warnte vor einigen Jahren davor „Horden von Missionären und Diener
anderer Religionen ins Land hineinzulassen, die Rußland fremd sind und aktiv
ihre Anhänger unter unseren Bürgern rekrutieren“. Der Patriarch selbst scheute
sich nicht, die Tätigkeit westlicher Missionäre im Rußland mit der NATO-
Osterweiterung zu vergleichen.
Das Religionsgesetz verteidigt in den Augen vieler Russen ihre Kultur und
Identität. Auch die von Jelzin geforderte „nationale Ideologie“, für die er im
Sommer 1996 einen Wettbewerb ausschreiben ließ, appellierte an die Werte der
Orthodoxie Guri Sudakow, der Gewinner des Wettbewerbs, stellt den spezifisch
russischen Sinn für Gemeinschaft und die Seele der Orthodoxie dem westlichen
Individualismus und Materialismus gegenüber. Die Gegenüberstellung von Os-
ten und Westen ist symptomatisch. Auch das Religionsgesetz reflektiert auf be-
denkliche Weise die in Rußland immer weiter um sich greifende antiwestliche
Stimmung, und die Kirche läßt sich immer mehr als ihr Ventil benutzen.
Verglichen mit dem neuen Religionsgesetz, war das am 1. Oktober 1990
unter Gorbatschow verabschiedete Gesetz „Über die Gewissensfreiheit und die
religiösen Vereinigungen“ geradezu liberal. Der Staat durfte danach nicht
mehr in die religiösen Angelegenheiten eingreifen.
Deshalb, so wird heute argumentiert, stand verschiedenen religiösen und
pseudoreligiösen Gruppen, Vereinigungen und Sekten der Eingang nach Ruß-
land offen. Und da kann nach Meinung vieler nur das Justizministerium helfen,
in dessen Kompetenz jetzt das kirchliche und religiöse Leben fällt. Übersehen
wird, daß die Verbreitung der Sekten ebenso wie das Interesse der Öffentlich-
keit am Okkulten, Magischen, Exotischen die Orientierungskrise der Gesell-
schaft und ihr Bedürfnis nach religiösem Halt widerspiegelt.
„Zeit" 5/2004
AUFGABEN ZUM TEXT
Aufgabe 1. Lesen Sie den Text, gliedern Sie den Text ein und betiteln
Sie jeden Teil des Textes!
Aufgabe 2. Berichten Sie über die Informationen, die Sie aus dem Text
geschöpft haben!
die „Freiheit des Gewissens und religiöser Assoziationen“ bezeichnet die Or- thodoxie „als untrennbaren Bestandteil des allrußländischen, historischen, geistigen und kulturellen Erbes“. Ziel des Religionsgesetzes ist: Rußland vor extremistischen, überwiegend aus dem Westen kommenden Sekten zu schüt- zen. Nationalisten und Kommunisten verstehen das Gesetz als Teil des Kamp- fes für Rußlands Selbständigkeit gegenüber dem Westen. Deshalb waren sie zu keinem Kompromiß gegenüber religiösen Gemeinschaften aus dem Westen bereit, wie Protestanten oder Katholiken, die seither um ihre Strukturen in Rußland fürchten. Kommunistenchef Sjuganow argumentierte, das Gesetz be- schneide die Rechte derer, „die bereits das Land der Russen aufgekauft haben und die jetzt kommen, um auch noch die Seelen der Russen zu holen“. General Lebed warnte vor einigen Jahren davor „Horden von Missionären und Diener anderer Religionen ins Land hineinzulassen, die Rußland fremd sind und aktiv ihre Anhänger unter unseren Bürgern rekrutieren“. Der Patriarch selbst scheute sich nicht, die Tätigkeit westlicher Missionäre im Rußland mit der NATO- Osterweiterung zu vergleichen. Das Religionsgesetz verteidigt in den Augen vieler Russen ihre Kultur und Identität. Auch die von Jelzin geforderte „nationale Ideologie“, für die er im Sommer 1996 einen Wettbewerb ausschreiben ließ, appellierte an die Werte der Orthodoxie Guri Sudakow, der Gewinner des Wettbewerbs, stellt den spezifisch russischen Sinn für Gemeinschaft und die Seele der Orthodoxie dem westlichen Individualismus und Materialismus gegenüber. Die Gegenüberstellung von Os- ten und Westen ist symptomatisch. Auch das Religionsgesetz reflektiert auf be- denkliche Weise die in Rußland immer weiter um sich greifende antiwestliche Stimmung, und die Kirche läßt sich immer mehr als ihr Ventil benutzen. Verglichen mit dem neuen Religionsgesetz, war das am 1. Oktober 1990 unter Gorbatschow verabschiedete Gesetz „Über die Gewissensfreiheit und die religiösen Vereinigungen“ geradezu liberal. Der Staat durfte danach nicht mehr in die religiösen Angelegenheiten eingreifen. Deshalb, so wird heute argumentiert, stand verschiedenen religiösen und pseudoreligiösen Gruppen, Vereinigungen und Sekten der Eingang nach Ruß- land offen. Und da kann nach Meinung vieler nur das Justizministerium helfen, in dessen Kompetenz jetzt das kirchliche und religiöse Leben fällt. Übersehen wird, daß die Verbreitung der Sekten ebenso wie das Interesse der Öffentlich- keit am Okkulten, Magischen, Exotischen die Orientierungskrise der Gesell- schaft und ihr Bedürfnis nach religiösem Halt widerspiegelt. „Zeit" 5/2004 AUFGABEN ZUM TEXT Aufgabe 1. Lesen Sie den Text, gliedern Sie den Text ein und betiteln Sie jeden Teil des Textes! Aufgabe 2. Berichten Sie über die Informationen, die Sie aus dem Text geschöpft haben! 72
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