ВУЗ:
Рубрика:
94
Am besten ist es: du liest deine Rede ab. Das ist sicher, zuverlässig, auch freut es
jedermann, wenn der lesende Redner nach jedem viertel Satz misstrauisch hochblickt,
ob auch noch alle da sind.
Wenn du gar nicht hören kannst, was man dir so freundlich rät, und du willst
durchaus und durchum frei sprechen ... du Laie! Du lächerlicher Cicero! Nimm
dir doch ein Beispiel an unsern professionellen Rednern, an den Reich-
stagsabgeordneten - hast du die schon mal frei sprechen hören? Die schreiben sich
sicherlich zu Hause auf, wann sie „Hört! hört!“ rufen ... ja, also wenn du denn frei
sprechen musst.
Sprich, wie du schreibst. Und ich weiß, wie du schreibst. Sprich mit langen,
langen Sätzen - solchen, bei denen du, der du dich zu Hause, wo du ja die Ruhe, deren
du so sehr benötigst, deiner Kinder ungeachtet, hast, vorbereitest, genau weißt, wie
das Ende ist, die Nebensätze schön ineinandergeschachtelt, so dass der Hörer,
ungeduldig auf seinem Sitz hin und her träumend, sich in einem Kolleg wähnend, in
dem er früher so gern geschlummert hat, auf das Ende solcher Periode wartet... nun,
ich habe dir eben ein Beispiel gegeben. So musst du sprechen.
Fang immer bei den alten Römern an und gib stets, wovon du auch sprichst,
die geschichtlichen Hintergründe der Sache. Das ist nicht nur deutsch - das tun alle
Brillenmenschen. Ich habe einmal in der Sorbonne einen chinesischen Studenten
sprechen hören, der sprach glatt und gut französisch, aber er begann zu allgemeiner
Freude so: „Lassen Sie mich Ihnen in aller Kürze die Entwicklungsgeschichte meiner
chinesischen Heimat seit dem Jahre 2000 vor Christi Geburt...“ Er blickte ganz erstaunt
auf, weil die Leute so lachten.
So musst du das auch machen. Du hast ganz recht: man versteht es ja sonst nicht,
wer kann denn das alles verstehen, ohne die geschichtlichen Hintergründe ... sehr
richtig! Die Leute sind doch nicht in deinen Vortrag gekommen, um lebendiges Leben
zu hören, sondern das, was sie auch in den Büchern nachschlagen können ... sehr
richtig! Immer gib ihm Historie, immer gib ihm.
Kümmere dich nicht darum, ob die Wellen, die von dir ins Publikum laufen,
auch zurückkommen - das sind Kinkerlitzchen. Sprich unbekümmert um die Wirkung,
um die Leute, um die Luft im Saale; immer sprich, mein Guter. Gott wird es
dir lohnen.
Du musst alles in die Nebensätze legen. Sag nie: „Die Steuern sind zu hoch.“
Das ist zu einfach. Sag: „Ich möchte zu dem, was ich soeben gesagt habe, noch kurz
bemerken, dass mir die Steuern bei weitem...“ So heißt das.
Trink den Leuten ab und zu ein Glas Wasser vor - man sieht das gern.
Wenn du einen Witz machst, lach vorher, damit man weiß, wo die Pointe ist.
Eine Rede ist, wie könnte es anders sein, ein Monolog. Weil doch nur einer
spricht. Du brauchst auch nach vierzehn Jahren öffentlicher Rednerei noch nicht zu
wissen, dass eine Rede nicht nur ein Dialog, sondern ein Orchesterstück ist: eine
stumme Masse spricht nämlich ununterbrochen mit. Und das musst du hören. Nein,
das brauchst du nicht zu hören. Sprich nur, lies nur, donnere nur, geschichtele nur.
Zu dem, was ich soeben über die Technik der Rede gesagt habe, möchte ich
noch kurz bemerken, dass viel Statistik eine Rede immer sehr hebt. Das beruhigt
Am besten ist es: du liest deine Rede ab. Das ist sicher, zuverlässig, auch freut es
jedermann, wenn der lesende Redner nach jedem viertel Satz misstrauisch hochblickt,
ob auch noch alle da sind.
Wenn du gar nicht hören kannst, was man dir so freundlich rät, und du willst
durchaus und durchum frei sprechen ... du Laie! Du lächerlicher Cicero! Nimm
dir doch ein Beispiel an unsern professionellen Rednern, an den Reich-
stagsabgeordneten - hast du die schon mal frei sprechen hören? Die schreiben sich
sicherlich zu Hause auf, wann sie „Hört! hört!“ rufen ... ja, also wenn du denn frei
sprechen musst.
Sprich, wie du schreibst. Und ich weiß, wie du schreibst. Sprich mit langen,
langen Sätzen - solchen, bei denen du, der du dich zu Hause, wo du ja die Ruhe, deren
du so sehr benötigst, deiner Kinder ungeachtet, hast, vorbereitest, genau weißt, wie
das Ende ist, die Nebensätze schön ineinandergeschachtelt, so dass der Hörer,
ungeduldig auf seinem Sitz hin und her träumend, sich in einem Kolleg wähnend, in
dem er früher so gern geschlummert hat, auf das Ende solcher Periode wartet... nun,
ich habe dir eben ein Beispiel gegeben. So musst du sprechen.
Fang immer bei den alten Römern an und gib stets, wovon du auch sprichst,
die geschichtlichen Hintergründe der Sache. Das ist nicht nur deutsch - das tun alle
Brillenmenschen. Ich habe einmal in der Sorbonne einen chinesischen Studenten
sprechen hören, der sprach glatt und gut französisch, aber er begann zu allgemeiner
Freude so: „Lassen Sie mich Ihnen in aller Kürze die Entwicklungsgeschichte meiner
chinesischen Heimat seit dem Jahre 2000 vor Christi Geburt...“ Er blickte ganz erstaunt
auf, weil die Leute so lachten.
So musst du das auch machen. Du hast ganz recht: man versteht es ja sonst nicht,
wer kann denn das alles verstehen, ohne die geschichtlichen Hintergründe ... sehr
richtig! Die Leute sind doch nicht in deinen Vortrag gekommen, um lebendiges Leben
zu hören, sondern das, was sie auch in den Büchern nachschlagen können ... sehr
richtig! Immer gib ihm Historie, immer gib ihm.
Kümmere dich nicht darum, ob die Wellen, die von dir ins Publikum laufen,
auch zurückkommen - das sind Kinkerlitzchen. Sprich unbekümmert um die Wirkung,
um die Leute, um die Luft im Saale; immer sprich, mein Guter. Gott wird es
dir lohnen.
Du musst alles in die Nebensätze legen. Sag nie: „Die Steuern sind zu hoch.“
Das ist zu einfach. Sag: „Ich möchte zu dem, was ich soeben gesagt habe, noch kurz
bemerken, dass mir die Steuern bei weitem...“ So heißt das.
Trink den Leuten ab und zu ein Glas Wasser vor - man sieht das gern.
Wenn du einen Witz machst, lach vorher, damit man weiß, wo die Pointe ist.
Eine Rede ist, wie könnte es anders sein, ein Monolog. Weil doch nur einer
spricht. Du brauchst auch nach vierzehn Jahren öffentlicher Rednerei noch nicht zu
wissen, dass eine Rede nicht nur ein Dialog, sondern ein Orchesterstück ist: eine
stumme Masse spricht nämlich ununterbrochen mit. Und das musst du hören. Nein,
das brauchst du nicht zu hören. Sprich nur, lies nur, donnere nur, geschichtele nur.
Zu dem, was ich soeben über die Technik der Rede gesagt habe, möchte ich
noch kurz bemerken, dass viel Statistik eine Rede immer sehr hebt. Das beruhigt
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