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sich einfach nicht zur Kenntnis. Die einzige Ausnahme war der unbequeme Bert
Brecht, der ein Dauerthema in beiden Staaten war. (Erst später veröffentlichten
DDR-Schriftsteller auch im Westen und ernteten dafür heftige Kritik in ihrem Land.)
Einige aus der Gruppe 47 versuchten trotz der Gegensätze, eine deutsche Literatur in
zwei deutschen Staaten zu bewahren. Man suchte nach einem dritten Weg.
Gemeinsam war aber nur eines, nämlich das Gefühl, gleichermaßen in beiden Staaten
unbeliebt zu sein: die Schriftsteller im Westen ohne konkreten Einfluß auf die
gesellschaftlichen Zustände, die im Osten unter der Zensur.
Die jährlichen Herbsttreffen der Gruppe 47 fanden in wechselnder Zusammensetzung
statt. Neben anderen nahmen teil: die österreichische Schriftstellerin Ingeborg
Bachmann (1926-1973), Heinrich Böll (1917-1985), der wohl bekannteste deutsche
Schriftsteller nach dem Krieg, Nobelpreis 1972, ein Moralist und Kritiker seiner Zeit,
der 1953 mit „Und sagte kein einziges Wort" an die Öffentlichkeit trat. 1959 kam
„Billard um halb zehn" heraus. Dieses Jahr sollte zu einem der wichtigsten der
deutschen Literatur werden, denn es erschienen außerdem „Die Blechtrommel" von
Günter Grass (siehe unten) und „Mutmaßungen über Jakob" von Uwe Johnson, der
die Mentalität der Menschen in der DDR zu seinem Thema machte. Sehr viel später
erzählte Böll in der vielbeachteten Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina
Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann" (1974) die Geschichte
einer jungen Frau, die durch Zufall Mittelpunkt der Sensationsmache und Polithetze
einer Boulevardzeitung wird. In einem Akt unerwarteter Selbstverteidigung erschießt
sie den korrupten Journalisten. Günter Grass (geb. 1927 in Danzig) wurde mit seinem
Roman „Die Blechtrommel" 1959 schlagartig bekannt. Es ist die groteske Ent-
wicklungsgeschichte seines Helden Oskar Matzerath, der die Protesthaltung unseres
Jahrhunderts verkörpert (siehe auch die Verfilmung). Der Roman erreichte bis heute
eine Auflage von 3 Millionen in über zwei Dutzend Sprachen.
Hans Magnus Enzensberger (geb. 1929; Gedichte und Essays) verkörpert den Typus
des intellektuellen Schriftstellers mit ästhetischem und politischem Anspruch.
Reiner Kunze wurde 1933 im Erzgebirge (später DDR) als Sohn eines Bergarbeiters
geboren. Er studierte Philosophie und Journalistik an der Universität Leipzig. Von
1955-1959 war er dort wissenschaftlicher Assistent mit Lehrauftrag, konnte jedoch
seine Laufbahn aus politischen Gründen nicht fortsetzen. Er war gezwungen, in der
Landwirtschaft und im Schwermaschinenbau zu arbeiten. Seit 1962 war er als freier
Schriftsteller tätig und geriet in eine schwere persönliche Krise, die er durch seine
Heirat und Freunde in der Tschechoslowakei überwinden konnte. Er publizierte im
Westen und erhielt zahlreiche Literaturpreise. Schließlich wurde er so stark unter
Druck gesetzt, daß er 1977 in die Bundesrepublik übersiedelte.
Die Kontroverse um Christa Wolf war zu Ende, als sie für eine längere Zeit nach
Kalifornien ging. Nach ihrer Rückkehr meldete sie sich wieder mit einem
Rechenschaftsbericht, betitelt „Auf dem Weg nach Tabou - Texte 1990-1994". Im
folgenden einige Auszüge aus einer in diesem Buch abgedruckten Rede, gehalten am
27.2.1994 in der Staatsoper Dresden:
„Die Mentalitätsunterschiede, die viele heute noch als sehr auffällig, als störend
empfinden, sind allerdings, wenn sie nicht landschaftlich bedingt sind, den
unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen geschuldet. Wenn es sich bei der
sich einfach nicht zur Kenntnis. Die einzige Ausnahme war der unbequeme Bert Brecht, der ein Dauerthema in beiden Staaten war. (Erst später veröffentlichten DDR-Schriftsteller auch im Westen und ernteten dafür heftige Kritik in ihrem Land.) Einige aus der Gruppe 47 versuchten trotz der Gegensätze, eine deutsche Literatur in zwei deutschen Staaten zu bewahren. Man suchte nach einem dritten Weg. Gemeinsam war aber nur eines, nämlich das Gefühl, gleichermaßen in beiden Staaten unbeliebt zu sein: die Schriftsteller im Westen ohne konkreten Einfluß auf die gesellschaftlichen Zustände, die im Osten unter der Zensur. Die jährlichen Herbsttreffen der Gruppe 47 fanden in wechselnder Zusammensetzung statt. Neben anderen nahmen teil: die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926-1973), Heinrich Böll (1917-1985), der wohl bekannteste deutsche Schriftsteller nach dem Krieg, Nobelpreis 1972, ein Moralist und Kritiker seiner Zeit, der 1953 mit „Und sagte kein einziges Wort" an die Öffentlichkeit trat. 1959 kam „Billard um halb zehn" heraus. Dieses Jahr sollte zu einem der wichtigsten der deutschen Literatur werden, denn es erschienen außerdem „Die Blechtrommel" von Günter Grass (siehe unten) und „Mutmaßungen über Jakob" von Uwe Johnson, der die Mentalität der Menschen in der DDR zu seinem Thema machte. Sehr viel später erzählte Böll in der vielbeachteten Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann" (1974) die Geschichte einer jungen Frau, die durch Zufall Mittelpunkt der Sensationsmache und Polithetze einer Boulevardzeitung wird. In einem Akt unerwarteter Selbstverteidigung erschießt sie den korrupten Journalisten. Günter Grass (geb. 1927 in Danzig) wurde mit seinem Roman „Die Blechtrommel" 1959 schlagartig bekannt. Es ist die groteske Ent- wicklungsgeschichte seines Helden Oskar Matzerath, der die Protesthaltung unseres Jahrhunderts verkörpert (siehe auch die Verfilmung). Der Roman erreichte bis heute eine Auflage von 3 Millionen in über zwei Dutzend Sprachen. Hans Magnus Enzensberger (geb. 1929; Gedichte und Essays) verkörpert den Typus des intellektuellen Schriftstellers mit ästhetischem und politischem Anspruch. Reiner Kunze wurde 1933 im Erzgebirge (später DDR) als Sohn eines Bergarbeiters geboren. Er studierte Philosophie und Journalistik an der Universität Leipzig. Von 1955-1959 war er dort wissenschaftlicher Assistent mit Lehrauftrag, konnte jedoch seine Laufbahn aus politischen Gründen nicht fortsetzen. Er war gezwungen, in der Landwirtschaft und im Schwermaschinenbau zu arbeiten. Seit 1962 war er als freier Schriftsteller tätig und geriet in eine schwere persönliche Krise, die er durch seine Heirat und Freunde in der Tschechoslowakei überwinden konnte. Er publizierte im Westen und erhielt zahlreiche Literaturpreise. Schließlich wurde er so stark unter Druck gesetzt, daß er 1977 in die Bundesrepublik übersiedelte. Die Kontroverse um Christa Wolf war zu Ende, als sie für eine längere Zeit nach Kalifornien ging. Nach ihrer Rückkehr meldete sie sich wieder mit einem Rechenschaftsbericht, betitelt „Auf dem Weg nach Tabou - Texte 1990-1994". Im folgenden einige Auszüge aus einer in diesem Buch abgedruckten Rede, gehalten am 27.2.1994 in der Staatsoper Dresden: „Die Mentalitätsunterschiede, die viele heute noch als sehr auffällig, als störend empfinden, sind allerdings, wenn sie nicht landschaftlich bedingt sind, den unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen geschuldet. Wenn es sich bei der
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