Методические указания для чтения и анализа художественных произведений современных немецкоязычных авторов по теме "Женщины в современном обществе" для студентов 4 курса отделения немецкого языка факультета филологии и журналистики - 18 стр.

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werden ausufern, wenn unsere Lage sich weiter verschlechtert, und es wird nichts
nützen, ihnen die Tatsachen entgegenzuhalten. Falls es noch etwas wie Tatsachen gibt,
nach all den Jahren. Falls sie nicht, ausgehöhlt durch Heimweh und Demütigung und
Enttäuschung und Armut, zu einer dünnen brüchigen Schale geworden sind, die von
jedem, der es wirklich will, zerstört werden kann. Wer wird das wollen. Presbon?
Presbon in seiner unbezähmbaren Ichsucht, das könnte sein. Er war der einzige der
Auswanderer, den nicht Lyssa selbst verständigt hatte, sie wirft es sich heute noch vor,
dass sie das geduldet hat. Er ergriff die Gelegenheit, Kolchis den Rücken zu kehren und
sein überschießendes Talent, sich selbst darzustellen, anderswo anzubieten, zum
Beispiel hier im glänzenden Korinth, wo er sich unentbehrlich gemacht hat bei den
großen Tempelspielen, deren kompliziertes Triebwerk er in Gang zu setzen weiß wie
kein anderer und denen er durch die inspirierte Darstellung der großen Rollen
Glanzlichter aufsetzt, die König Kreon ihm dankt. Keiner von den Kolchern hat es zu so
hohen Ehren gebracht wie er, Presbon, Sohn einer Magd und eines Offiziers der Palast-
wache in Kolchis, der sich zuerst nicht zu schade war, hier in Korinth nach den großen
Festen den Abfall von der Festwiese zu räumen. Wie er sich anstrengen musste, dass
man auf ihn aufmerksam wurde. Wie er unter der Erniedrigung litt. Wie er alle hasst,
die ihn in seiner Schande gesehen haben und über die Verrenkungen spotteten, die er
sich abverlangte, um aufzusteigen. Wie er mich hasst, weil ich seinen Wert nicht zu
schätzen wusste. Nichts bleibt ohne Folgen, Mutter, darin hattest du recht.
War es Lyssa, die dir den Zeitpunkt unserer Flucht nannte? Wahrscheinlicher ist,
du hast ihn selbst erraten. Aufmerksamer als du hat niemand die Ereignisse beobachtet,
die das Auftauchen jener Fremden in Kolchis nach sich zog.
Dabei ließ sich alles ganz gut an. Unsympathisch waren sie unseren Kolchern
nicht, Jason mit dem Pantherfell und seine etwas verwilderte Schar von Argonauten, die
ja nicht roh waren, eher ein wenig täppisch, aber hilfsbereit, wenn es sich ergab, und
neugierig. Und schmeichelhaft war es doch eigentlich, dass das Ziel ihrer gefahrvollen
Meeresfahrt ausgerechnet unser Kolchis war, ein Land wie andere auch an dieser
Schwarzmeerküste. Jedenfalls gab es keinen Grund, diese Seeleute, die in der Bucht
unseres Flusses Phasis angelegt hatten, nicht gebührend als Gäste zu behandeln. Noch
dazu, da Aietes, der König, der Vater, Jason und Telamon gleich nach ihrer Ankunft
empfing und alle fünfzig Argonauten für den nächsten Abend in den Palast lud, zu
einem Gastmahl, für das eine Menge Schafe ihr Leben lassen mussten und das in
Ausgelassenheit und Verbrüderung endete.
Natürlich wollten später viele schon damals Unheil gewittert haben, aber was hatte
unheimlich sein sollen an einem Festgelage, dessen Lärm zusammen mit dem Klang der
Widderhörner aus dem Palast drang, denn der Wein, den wir an den Südhängen der
Berge ziehen, schmeckte den Gästen.
Nein. Ich war als einzige voller böser Ahnungen, denn ich war in meines Vaters
Argwohn gegenüber diesen Gästen eingeweiht. Die einzige außer dir, Mutter. Du
brauchtest für deine bösen Ahnungen keinen neuen Grund. Du kanntest den König. Ich
hatte es mit dem Vater in mir zu tun: Du verrätst mich nicht, meine Tochter. Ich wusste,
Jason wollte das Vlies. Ich wusste, der König wollte es ihm nicht geben. Warum nicht,