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»Machen Sie das Fenster zu, Bernhard.« Dr. Waltraud trat zurück. »Warum sind
Sie eigentlich Zechenarzt geworden? Mit Ihrem Sarkasmus hätten Sie eine glänzende
klinische Karriere machen können.«
Dr. Pillnitz schloß das Fenster. Waltraud Born hörte gerade noch die Worte: »...
die geschichtliche Freundschaft unserer Völker ...« dann knallte das Fenster zu.
»Mein Vater war Bergmann«, sagte Dr. Pillnitz plötzlich ernst. »Er starb an einer
Silikose. Damals starben mehr als 40% aller Bergleute daran. Ich habe mir unter Tage
das Geld für das Studium verdient und mir geschworen, meinen Kumpels zu helfen,
wenn ich es einmal schaffe und Arzt bin. Man soll solche Schwüre nie vergessen, Wal-
traud.«
Dr. Born schwieg. Sie sah Dr. Pillnitz plötzlich mit anderen Augen an. Zum ersten
Mal erfuhr sie etwas Privates von ihm. In dem halben Jahr, in dem sie nun schon
zusammen das Krankenrevier der Zeche Emma II betreuten, hatte es bisher nur
berufliche Diskussionen oder läppische Neckereien zwischen ihnen gegeben. Sie wusste
eigentlich nicht mehr von Dr. Pillnitz, als dass er unverheiratet war, weil seine Verlobte
bei einem Autounfall gestorben und er seitdem von einer merkwürdigen Scheu Frauen
gegenüber war, wenn er spürte, dass sie sich für ihn zu interessieren begannen. Er
bewohnte eine Neubauetage, verkehrte in keiner Wirtschaft Buschhausens, hatte keinen
Stammtisch, trat nicht dem neu gegründeten Tennisclub bei und war lediglich zahlendes
Mitglied des Brieftaubenvereins und ehrenhalber Sportarzt des Fußballvereins
Buschhausen 09. Ein Sonderling, hieß es in Buschhausen, ein guter Arzt, aber ein
scharfer Hund, wenn's um das Krankschreiben ging. Bei der Zechenleitung war er nicht
gerade beliebt, weil er das sagte, was er dachte, unverblümt, ohne diplomatische
Schnörkel, frei heraus wie ein Bergmann, der er trotz des weißen Kittels geblieben war.
«…»
Teil II
«…»
Am Montag stellte sich Schwester Carla Hatz bei Dr. Pillnitz und Dr. Waltraud
Born vor. Die Vergrößerung der Belegschaft machte es notwendig, neben den
ausgebildeten Sanitätern in der Grube auch noch im Krankenrevier eine ausgebildete
Krankenschwester zu engagieren. Nach langem Suchen hatte die Personalabteilung
endlich die junge Carla Hatz gefunden. Sie hatte gerade ihre Schwesternprüfung hinter
sich und trat bei Zeche Emma II ihre erste Stelle an. Dr. Pillnitz betrachtete das
schwarzhaarige, zierliche, hübsche Mädchen mit kritischen Blicken. Ein pausbäckiges
Gesicht, flinke Äugelchen, ein appetitlicher Körper, schlanke Beinchen, ein von Jugend
und Lebensfreude sprühendes Schwesterchen. Dr. Pillnitz fand die Sache bedenklich.
»Willkommen, Schwester Carla«, sagte er mit seinem typischen sarkastischen
Unterton. »Soweit man willkommen zu einem Kuckucksei sagen soll.«
»Bernhard -« Dr. Waltraud lächelte der verblüfften Schwester aufmunternd zu.
»Dr. Pillnitz hat eine besondere Art von Humor.«
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