Методические указания для чтения и анализа художественных произведений современных немецкоязычных авторов по теме "Женщины в современном обществе" для студентов 4 курса отделения немецкого языка факультета филологии и журналистики - 28 стр.

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»Mich in der Hand? Das glaube ich nicht!«
»Warten Sie ab«, lächelte Veronika Sassen kalt. »Ich komme aus reinem Eigennutz
zu Ihnen.«
»So etwas habe ich mir bei Ihnen schon gedacht.«
Veronika Sassen hob die rasierten und nachgezogenen Brauen. »Sie sind ehrlich,
Doktor.«
»Das gehört zu meinen Grundsätzen.«
»Ein edles Prinzip. Sie werden aber damit früher oder später Schiffbruch erleiden.
Nicht das Gute setzt sich durch, sondern das Gemeine. Sehen Sie sich das Leben an.«
»Dieser Satz könnte von Dr. Pillnitz stammen.«
»Vielleicht ist er sogar von ihm - ich weiß es nicht.«
Veronika Sassen zerdrückte die halbgerauchte Zigarette und brannte sich eine neue
an. »Sie kennen Luigi, Doktor?«
»Ja. Schon bei der Einstellungsuntersuchung fasste er mich an die Brust.«
»Und Sie haben ihm auf die Finger geschlagen, ich hörte davon. Welcher
Unterschied zwischen Ihnen und mir, Sie verabscheuen solche Männer, mich begeistern
sie. Ich brauche ihre Kraft, ihre Stärke, ihre Leidenschaft. Ich habe aber einen Greis
zum Ehemann. Die Folgen muss ich Ihnen nicht erklären. Ich bin achtundzwanzig
Jahre, in einem Alter, in dem manche Frauen beginnen, das Vulkanische in sich zu
entwickeln. So eine bin ich. Gerade Sie als Ärztin müssen verstehen, dass dies dann ein
unabwendbares biologisches Schicksal ist. Was gibt es da für Vergleiche? Eine
Sturmflut... ist sie aufzuhalten durch 'nen Sandsack? Eine Feuersbrunst ... kann man sie
mit einem Glas Wasser löschen? Verstehen Sie mich, Doktor Born?«
»Als Ärztin, vielleicht. Als Frau nicht.«
»Warum nicht?«
»Sie haben ein Kind. Oliver -«
»Oliver ist sieben Jahre alt. Ich bin ihm eine liebevolle Mutter. Was hat er mit dem
... dem anderen zu tun?«
»Er könnte eine moralische Bremse sein.«
»Moral! Doktor Born! Moral ist ein Wasser tropfen, der in das Feuer der
Leidenschaft und der unerfüllten Sehnsucht fällt. Was bleibt von diesem
Wassertröpfchen übrig? Nicht einmal ein winziger Hauch der Verdunstung!« Veronika
Sassen zündete sich eine neue Zigarette an. »Ich bin die Geliebte Cabanazzis«, sagte sie
dann ganz ruhig, als rede sie über irgendeine Nebensächlichkeit. «Ich, Veronika Sassen,
liege in den Armen eines hungrigen, kaum des Lesens und Schreibens mächtigen
Sizilianers, eines Fischerjungen, der sein Bett mit drei Brüdern teilen musste und der
großgezogen wurde mit Trockenfisch und rotem Landwein. Sie können das verstehen?«
»Nein«, antwortete Dr. Born steif.
»Ich kann mir alles kaufen ... Pelze, Schmuck, Sportwagen, Häuser und - Männer!
Ist es unmoralisch, von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen?«
»Ja.« Es war eine klare, eine trennende Antwort.
Veronika Sassen schien aber keineswegs beeindruckt. Sie sagte: