Методические указания для чтения и анализа художественных произведений современных немецкоязычных авторов по теме "Женщины в современном обществе" для студентов 4 курса отделения немецкого языка факультета филологии и журналистики - 5 стр.

UptoLike

Рубрика: 

5
Es scheint eine Bilderbuchkarriere zu werden: die Autorin, - sie lebt jetzt mit ihrer
Familie in Berlin, - ist als freie Schriftstellerin anerkannt, wird zwischen 1963 und 1967
(dem VI. und VII. Parteitag) Kandidatin des ZK der SED, ist Mitglied des PEN-
Zentrums der DDR, erhält Auszeichnungen und Reiseerlaubnis in die Bundesrepublik
(u. a. 1964 zum Besuch des Auschwitz-Prozesses in Frankfurt a. M.). Aber schon im
Dezember 1965 auf dem II. Plenum des ZK der SED stößt sie mit ihrem
Diskussionsbeitrag, der mehr Erfahrung und Wirklichkeit, weniger „Typik“ in der
Literatur fordert, auf Kritik. Weniger spektakuläre Zurückweisung als kleinliche
Bevormundung verringern zunehmend ihren Enthusiasmus. So kann man ihrem 1966
entstandenen (erst 1972 im Westen veröffentlichten) Porträt Ingeborg Bachmanns an
vielen Stellen die Formulierung der eigenen Situation ablesen: „Kühnheit? Wo hätten
wir sie zu suchen, bei eingestandenem Rückzug vor Übermächten, bei eingestandener
Ohnmacht gegenüber dem Fremderwerden ihrer Welt? In den Eingeständnissen selbst?
Gewiss, da sie nicht aus Routine, nicht freiwillig gegeben werden. Mehr aber noch im
Widerstand. Nicht kampflos weicht sie zurück, nicht widerspruchslos verstummt sie,
nicht resignierend räumt sie das Feld. Wahrhaben, was ist – wahrmachen, was sein soll.
Mehr hat Dichtung sich nie zum Ziel setzen können“ (Die zumutbare Wahrheit. Prosa
der Ingeborg Bachmann).
Als 1968 ihr zweiter Roman Nachdenken über Christa T. erscheint, stößt er in der
DDR weitgehend auf Ablehnung und Befremden. Dem Text, der das Leben einer
verstorbenen Freundin zu rekonstruieren und im Erinnern aufzubewahren sucht, ist als
Motto ein Satz Johannes R. Bechers vorangestellt: „Was ist das: Dieses Zu-sich-selber-
Kommen des Menschen?“. Die Frage wird im Roman höchst ambivalent „beantwortet“:
der frühe Tod der Hauptfigur wird angesichts der Unmöglichkeit, die eigenen
Empfindungen mit den gesellschaftlichen Ansprüchen zu vereinbaren, zur
Herausforderung von Fortschrittsoptimismus und normiertem Menschenbild. Christa T.
- in vielem der Autorin verwandt - zeichnet sich durch eine leise, aber bestimmte
Verweigerung aus gegenüber dem „Mitmachen“ - sei es im nationalsozialistischen
Alltag, sei es beim Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Die Ideale
werden zunehmend von der Wirklichkeit im „real existierenden Sozialismus“ in Frage
gestellt, wenn nicht zersetzt.
Auch mit dem nächsten Roman Kindheitsmuster, der nach einigen Erzählungen
1976 erscheint, bewegt sich die Autorin außerhalb der gängigen Bahnen. Auf mehreren
stilistisch unterschiedenen Erzählebenen rekonstruiert sie wie für eine kollektive
Psychoanalyse ihre Kindheit im Nationalsozialismus und zeigt, wie die damals
eingeübten und verinnerlichten Erziehungsmuster im Verhalten der jetzt Erwachsenen
(der „Aufbaugeneration“) unwillkürlich weiterwirken. Die historisch-politische
Zäsur zwischen Faschismus und Sozialismus ist von psychischen Kontinuitäten
überlagert, die das Handeln und die Gefühle der Menschen oft stärker beeinflussen als
der verordnete Neubeginn. „Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen“
(W. Faulkner) beginnt der Roman, den die Autorin ihren beiden Töchtern gewidmet hat;
Prosa als „authentische Sprache der Erinnerung“, übersetzte Erfahrung.