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ganze Spektrum ihrer Arbeit unter den Anspruch gestellt, „gegen das unheimliche
Wirken von Entfremdungserscheinungen auch in der Ästhetik, auch in der Kunst“
anzuschreiben. Bewusst knüpft sie damit an die früheren Ideale an. Ihr Schreiben hat
sich indessen von einer eingeschränkten DDR-Problematik gelöst, ohne die eigene
Geschichte zu verleugnen. Deutlich ist der persönliche Blick profiliert: fast immer hat
sie die Perspektive einer Frau am Rand des Todes beschrieben, aus der heraus die
Gesellschaft betrachtet wird: im Geteilten Himmel ebenso wie in Nachdenken über
Christa T., in Kein Ort. Nirgends oder der Erzählung Kassandra, die vor dem Haus
Agamemnons ihren Erinnerungsmonolog beginnt: „Mit dieser Erzählung gehe ich in
den Tod.“
Mit der „Wende“ in der DDR, dem Fall der Grenze zwischen Ost und West am 9.
November 1989, und der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 bricht
neben der Hoffnung „auf bessere Zeiten“ gerade auch bei der Aufbaugeneration die
Trauer über das große Misslingen des Experiments „Sozialismus“ durch. „Immer schei-
nen die unzumutbaren Forderungen sich auf Versäumnisse in ungelebten Lebenszonen
zu beziehen, die nicht ohne weiteres durch nachgelebtes Leben auffüllbar sind«
(Störfall). Moralität und Integrität, womit sich eine zurückhaltend und gleichzeitig
präsente gesellschaftliche Rolle einnehmen ließ, werden nun hinterfragt. Was bleibt -
ein 1979 geschriebener und 1990 veröffentlichter Text - entfacht unter den
Literaturkritikern im Westen erneut eine Auseinandersetzung über die
„Gesinnungsästhetik“ der Autorin, ihre politische Glaubwürdigkeit und ästhetische
Qualität.
Schon der Text von 1986, Störfall - Nachrichten eines Tages, der persönliche
Gedanken und Gefühle anlässlich einer technologischen Katastrophe notiert: dem
Unfall des Atomkraftwerks Tschernobyl in der damaligen Sowjetunion, begleitet von
den telefonischen Nachrichten über das Gelingen einer Gehirnoperation des Bruders,
wurde in Ost und West viel gelesen, dabei aber auch einer grundsätzlichen literarischen
Kritik unterzogen. Eine produktive Auseinandersetzung mit den Stärken und
Schwächen des Gesamtwerks - das durchgehaltene Motiv der gemäßigten Klage und
angepassten Melancholie als Erzählhaltung - zeigt eine weiterwirkende
Herausforderung, die das zumindest historische Interesse an der international
bekanntesten zeitgenössischen deutschsprachigen Autorin wach hält.
Die antike Sage
Die Quellen zu Medea, die uns überliefert sind unterscheiden sich teilweise
erheblich voneinander.
Die bekannteste Interpretation des Medea-Mythos ist die des Euripides, eine
Tragödie, in der Medea aus Eifersucht und Schmerz die Stadt in Brand setzt, ihre
Rivalin zu Tode bringt und ihre eigenen Kinder tötet. Es folgt eine kurze
Zusammenfassung des Medea-Mythos: Jason wird im Zuge von Erbstreitigkeiten von
seinem Onkel Pelias, der in Jolchos herrscht, nach Kolchis geschickt, um von dort das
Goldene Vlies des Phrixos zu holen. Er fährt mit dem Schiff Argo und seinen
Gefährten, den Argonauten, nach Kolchis, das damals als der äußerste Rand
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