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< ... > Der Abruf einer bestimmten Erinnerung dauert etwa drei bis fünf Sekunden.
Außerdem ist sie je nach aktueller Stimmung und psychologischer Verfassung jedesmal
neu und anders zusammengesetzt. Einen wesentlichen Einfluss auf erinnerte autobiogra-
fische Ereignisse hat unser Selbstbild.
Das Selbst ist eine dynamische Struktur, die sich im Laufe unseres Lebens kontinu-
ierlich im Zusammenspiel mit unserem jeweiligen Lebenskontext bildet. In ihr sammeln
sich Erfahrungen, Meinungen und Einstellungen, die wir über uns selbst und unsere Ei-
genschaften sowie über unsere Beziehungen zu anderen Menschen haben. Die Art und
Weise, wie wir uns selbst sehen, unsere persönlichen Interessen und Vorlieben beeinflus-
sen unsere Erinnerungen an die Vergangenheit, je nachdem, an welchem Punkt unserer
Lebensgeschichte wir uns gerade befinden und unter welchem Blickwinkel wir zurück-
schauen. Als Instanz, die uns vermittelt, wer wir sind und was uns ausmacht, verleiht das
Selbst unserem Wissen Sinn und Bedeutung. Es ermöglicht uns, in aktuellen Situationen
aufgrund früher gemachter persönlicher Erfahrungen einzuschätzen, welches Verhalten
gerade angemessen und wie zu handeln ist. Denn Erinnerungen nehmen großen Einfluss
auf unser Leben und Erleben und auf unsere Erfahrungen: Wie wir uns erinnern, beein-
flusst unsere Selbstwahrnehmung, und unsere Erinnerungen formen unser Selbstbild.
Dieses selbstbezogene Wissen ist zum größten Teil ein Nebenprodukt dessen, was
wir täglich tun, denken oder fühlen, wenn wir mit unserer Umwelt in Kontakt stehen. Denn
autobiografische Erinnerungen sind in der Regel alltägliche Ereignisse, die wir uns nicht
gezielt merken. Das autobiografische Gedächtnis arbeitet sozusagen „im Hintergrund" mit.
Die Entscheidung, ob es sich bei dem täglich Erlebten um relevante, für uns wichtige Erin-
nerungen handelt, fällt erst im Nachhinein und ohne dass wir uns dessen bewusst wären.
Dass unserem Selbstkonzept dabei eine organisierende und strukturierende Rolle
zukommt, zeigt ein Phänomen, das in der Gedächtnisforschung unter dem Namen „Erin-
nerungsgipfel" bekannt ist. Wenn wir nach Erinnerungen aus unserer gesamten Vergan-
genheit befragt werden, ergibt sich für alle Menschen ein relativ einheitliches Bild: Wir er-
innern uns besonders gut an Ereignisse, die in unserer unmittelbaren Vergangenheit statt-
gefunden haben. Je weiter zurück ein Ereignis liegt, umso schlechter ist unsere Erinne-
rung. Dies gilt allerdings nicht für unsere Erinnerungen an die Zeit zwischen dem 15. und
25. Lebensjahr. An diese Jahre können wir uns alle besonders gut und lebhaft erinnern.
Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen ist, dass sich unser Selbstkonzept in dieser
Zeit in einem entscheidenden Umbauprozess befindet. Wir sind auf dem Wege von der
Kindheit ins Erwachsenenalter, und die für diesen Lebensabschnitt wesentlichen neuen
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