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Vater Rhein wird sauber
In der einstigen Kloake tummeln sich wieder Fische
Was lebt im Rhein? Wenig, mag man vermuten. Nicht umsonst
galt der Rhein lange als die "Romantischste Kloake Europas": Gegen
das Image einer stinkenden Industriebrühe kämpft Europas meist be-
fahrene Binnenwasserstraße bis heute – mit Erfolg! Die akute Vergif-
tung des letzten Jahrhunderts hat der Rhein – dank intensiver Maß-
nahmen zur Abwasserklärung von Industrie und Kommunen – weit-
gehend überstanden. Und neben Lachs, Plötze und Ukelei wagt auch
der Mensch sich wieder in die kühlen Fluten des Stroms.
Nirgends sonst in Europa wohnen und leben so viele Menschen
an und mit dem Strom wie am Rhein. Rund 1.320 Kilometer zieht
sich das blaue Band von den Schweizer Alpen bis zur Nordsee durch
Europa, ist zugleich Schifffahrtsroute und Trinkwasserreservoir, tou-
ristisches Ziel und Wirtschaftsader und muss neben den Abwässern
seiner Millionen Anlieger auch die Abwässer und Abwärme der
Chemie-Riesen und -Zwerge an seinen Ufern verkraften. Im rund
185.000 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet des Rheins leben
etwa 50 Millionen Menschen, davon 34 Millionen in Deutschland.
Die 865 Kilometer, welche er Deutschland durchfließt, machen ihn
zum längsten Fluss des Landes. Römerkähne, Holzflöße und Dampf-
schiffe hat er ebenso gesehen wie moderne Containerschiffe. Vor rund
200 Jahren als romantisches Reiseziel entdeckt, ist er heute zwischen
Bingen und Koblenz Teil einer "Kulturlandschaft von großer Vielfalt
und Schönheit", was ihm den UNESCO-Titel "Weltkulturerbe der
Menschheit" bescherte. Doch wie verantwortungsvoll geht die Erben-
gemeinschaft mit dem teuren Nachlass um?
Kloake im Romantikstil
Aus dem reich mäandrierenden Strom mit weitläufigen Auen-
landschaften, mit Prall- und Gleithängen, Sand- und Kiesbänken – so
beschrieb einst ein Zeitgenosse Goethes den Oberlauf zwischen Basel
und Bingen – ist ein befestigter Kanal geworden. Der rigorose Ausbau
zur Wasserstraße, der ihm seine Vielfalt und zugleich viel von seiner
Kraft und Faszination geraubt hat, besiegelte das Ende des Urstrom-
landes bereits Mitte des 19. Jahrhunderts. Zeitgleich begannen die
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Städte, ihren Unrat über die Kanalisation zu entsorgen: das Abwasser
wurde ungeklärt und ungeniert in den Rhein geleitet. Zugleich be-
lasteten Industriebetriebe das Wasser mit Salzen, Schwermetallen und
organischen Stoffen, aus den anliegenden Feldern sickerten Pflanzen-
schutzmittel sowie Stickstoff und Phosphor in den Strom. Ein kurzes
Aufatmen nach dem Zweiten Weltkrieg – viele Industriebetriebe wa-
ren zerstört – konnte die Gnadenlosigkeit des einsetzenden Wirt-
schaftswunders nicht bremsen: Schaumberge hinter den Staustufen
machten die Katastrophe für jedermann sichtbar, der Rhein verkam
zur Kloake – darüber halfen auch Romantiker oder „Das Rheingold"
nicht hinweg! Kaum noch 30 Kleintierarten lebten in den 60er und
frühen 70er Jahren im Fluss, selbst für Überlebenskünstler war der
knappe Sauerstoffgehalt im Wasser unerträglich. Am 1. November
1986 trieben unzählige Fische mit dem Bauch nach oben: über 1.000
Tonnen Chemikalien gingen in Lagerhalle 156 des Basler Konzerns in
Flammen auf, das Sandoz-Desaster führte zu einem Fischsterben in
einem bis dahin unbekannten Ausmaß. Langfristig hatten der Unfall
und die in der Öffentlichkeit ausgelösten Proteste jedoch positive
Nachwirkungen: die Politiker wurden wachgerüttelt, die 119 Rhein-
wasserwerke zwischen der Schweiz und den Niederlanden drängten
darauf, den Fluss wirkungsvoller zu schützen und die Wasserqualität
zu verbessern.
Besser spät als nie ...
Bereits ein Jahr nach dem Supergau unterzeichneten die Rhein-
Minister das "Aktionsprogramm Rhein", mit dem ehrgeizigen Ziel,
den Lachs als Bannerträger des Umweltprogramms bis zur Jahrtau-
sendwende wieder anzusiedeln. Hundert Jahre zuvor noch hatten die
Rheinfischer 250.000 Exemplare des sehr anspruchsvollen Wanderfi-
sches gefangen, der bis dato als "Arme-Leute-Essen" galt. 1958 wur-
den die letzten Lachse gesichtet. Seither ist viel Wasser den Rhein
hinunter geflossen – aber nicht ungeklärt! Effiziente mechanisch-
biologische Kläranlagen sowie hohe Investitionen der Industriebetrie-
be in die Abwasserreinigung haben aus dem schwer kranken Strom
einen Rekonvaleszenten werden lassen. Heute gilt der Rhein als Para-
debeispiel einer gelungenen Sanierung. Die punktuellen Einleitungen
Vater Rhein wird sauber Städte, ihren Unrat über die Kanalisation zu entsorgen: das Abwasser In der einstigen Kloake tummeln sich wieder Fische wurde ungeklärt und ungeniert in den Rhein geleitet. Zugleich be- Was lebt im Rhein? Wenig, mag man vermuten. Nicht umsonst lasteten Industriebetriebe das Wasser mit Salzen, Schwermetallen und galt der Rhein lange als die "Romantischste Kloake Europas": Gegen organischen Stoffen, aus den anliegenden Feldern sickerten Pflanzen- das Image einer stinkenden Industriebrühe kämpft Europas meist be- schutzmittel sowie Stickstoff und Phosphor in den Strom. Ein kurzes fahrene Binnenwasserstraße bis heute – mit Erfolg! Die akute Vergif- Aufatmen nach dem Zweiten Weltkrieg – viele Industriebetriebe wa- tung des letzten Jahrhunderts hat der Rhein – dank intensiver Maß- ren zerstört – konnte die Gnadenlosigkeit des einsetzenden Wirt- nahmen zur Abwasserklärung von Industrie und Kommunen – weit- schaftswunders nicht bremsen: Schaumberge hinter den Staustufen gehend überstanden. Und neben Lachs, Plötze und Ukelei wagt auch machten die Katastrophe für jedermann sichtbar, der Rhein verkam der Mensch sich wieder in die kühlen Fluten des Stroms. zur Kloake – darüber halfen auch Romantiker oder „Das Rheingold" Nirgends sonst in Europa wohnen und leben so viele Menschen nicht hinweg! Kaum noch 30 Kleintierarten lebten in den 60er und an und mit dem Strom wie am Rhein. Rund 1.320 Kilometer zieht frühen 70er Jahren im Fluss, selbst für Überlebenskünstler war der sich das blaue Band von den Schweizer Alpen bis zur Nordsee durch knappe Sauerstoffgehalt im Wasser unerträglich. Am 1. November Europa, ist zugleich Schifffahrtsroute und Trinkwasserreservoir, tou- 1986 trieben unzählige Fische mit dem Bauch nach oben: über 1.000 ristisches Ziel und Wirtschaftsader und muss neben den Abwässern Tonnen Chemikalien gingen in Lagerhalle 156 des Basler Konzerns in seiner Millionen Anlieger auch die Abwässer und Abwärme der Flammen auf, das Sandoz-Desaster führte zu einem Fischsterben in Chemie-Riesen und -Zwerge an seinen Ufern verkraften. Im rund einem bis dahin unbekannten Ausmaß. Langfristig hatten der Unfall 185.000 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet des Rheins leben und die in der Öffentlichkeit ausgelösten Proteste jedoch positive etwa 50 Millionen Menschen, davon 34 Millionen in Deutschland. Nachwirkungen: die Politiker wurden wachgerüttelt, die 119 Rhein- Die 865 Kilometer, welche er Deutschland durchfließt, machen ihn wasserwerke zwischen der Schweiz und den Niederlanden drängten zum längsten Fluss des Landes. Römerkähne, Holzflöße und Dampf- darauf, den Fluss wirkungsvoller zu schützen und die Wasserqualität schiffe hat er ebenso gesehen wie moderne Containerschiffe. Vor rund zu verbessern. 200 Jahren als romantisches Reiseziel entdeckt, ist er heute zwischen Bingen und Koblenz Teil einer "Kulturlandschaft von großer Vielfalt Besser spät als nie ... und Schönheit", was ihm den UNESCO-Titel "Weltkulturerbe der Bereits ein Jahr nach dem Supergau unterzeichneten die Rhein- Menschheit" bescherte. Doch wie verantwortungsvoll geht die Erben- Minister das "Aktionsprogramm Rhein", mit dem ehrgeizigen Ziel, gemeinschaft mit dem teuren Nachlass um? den Lachs als Bannerträger des Umweltprogramms bis zur Jahrtau- sendwende wieder anzusiedeln. Hundert Jahre zuvor noch hatten die Kloake im Romantikstil Rheinfischer 250.000 Exemplare des sehr anspruchsvollen Wanderfi- Aus dem reich mäandrierenden Strom mit weitläufigen Auen- sches gefangen, der bis dato als "Arme-Leute-Essen" galt. 1958 wur- landschaften, mit Prall- und Gleithängen, Sand- und Kiesbänken – so den die letzten Lachse gesichtet. Seither ist viel Wasser den Rhein beschrieb einst ein Zeitgenosse Goethes den Oberlauf zwischen Basel hinunter geflossen – aber nicht ungeklärt! Effiziente mechanisch- und Bingen – ist ein befestigter Kanal geworden. Der rigorose Ausbau biologische Kläranlagen sowie hohe Investitionen der Industriebetrie- zur Wasserstraße, der ihm seine Vielfalt und zugleich viel von seiner be in die Abwasserreinigung haben aus dem schwer kranken Strom Kraft und Faszination geraubt hat, besiegelte das Ende des Urstrom- einen Rekonvaleszenten werden lassen. Heute gilt der Rhein als Para- landes bereits Mitte des 19. Jahrhunderts. Zeitgleich begannen die debeispiel einer gelungenen Sanierung. Die punktuellen Einleitungen 87 88