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31
Deutschland
KRIMINALITÄT
Blutiges Finale
Ein Boxfanatiker wollte seinen Sohn zum Champion drillen. Aus
Verzweiflung erschlug das Berliner Talent den Vater im Schlaf.
Nach Mitternacht schleicht sich Mario in der Zweieinhalbzimmer-
Plattenbau-Wohnung aus dem Ehebett, das er mit seinem Vater teilen
muß. Der schmächtige Junge, eines der größten deutschen Boxtalente,
verschwindet in seinem Zimmer, das er für Schularbeiten und Krafttrai-
ning nutzt. Hier greift er die Kurzhantel, geht zurück ins Schlafzimmer -
und zertrümmert seinem schlafenden Vater mit mehreren Schlägen den
Schädel.
Gegen zwei Uhr morgens stirbt am vorvergangenen Freitag in Ber-
lin-Hohenschönhausen der arbeitslose Glas- und Gebäudereiniger Dieter
L., 51, «infolge stumpfer Gewalt gegen den Kopf», wie es später im Ob-
duktionsbericht heißt.
Mario, 16, zeigt am Morgen noch Freunden die blutverschmierte
Hantel, dann verschwindet er. Am Abend nimmt die Polizei den Jungen
unweit des Hauses in der trostlosen Betonsiedlung fest.
40 Seiten umfaßt das Protokoll der ersten Vernehmung des Flie-
gengewichtlers, der zum Totschläger wurde. Es ist die Geschichte eines
kleinen Boxers, der nicht nur im Ring siegen, sondern auch seinen Vater
vom Makel des sozialen Verlierers befreien sollte - und an der Last zer-
brach.
Mario, sagt seine Anwältin Evelyn Ascher, sei nach seiner Verhaf-
tung offenbar «so froh gewesen, daß endlich überhaupt jemand mit ihm
spricht, daß er sich dabei um Kopf und Kragen geredet hat». Wirklich
realisiert habe er «das Ganze aber noch nicht».
Das blutige Finale des Vater-Sohn-Konflikts hatte niemand kom-
men sehen - weder die Lehrer noch die Trainer, noch Nachbarn oder
Freunde.
Dabei galt Dieter L. überall als zynischer Eigenbrötler, den Alko-
hol äußerst streitsüchtig und brutal machte. Schon früher hatte der Sau-
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bermann Staubreste auf Schränken und Scheuerleisten mit Prügel für die
Ehefrau bestraft und wegen Schlägereien eingesessen. Die Gewalt-
tätigkeit steigerte sich noch im selben Maß, wie L. nicht mit seinem sozi-
alen Abstieg nach der Wende zurechtkam.
Aus dem in der DDR mit 1800 bis 2000 Mark hochbezahlten Fens-
terputzer mit kurzen Arbeitszeiten war ein Geringverdiener mit Schicht-
dienst und immer neuen Arbeitgebern geworden. L. sei ein «guter und
akkurater Arbeiter» gewesen, sagt Ronald Pritsche, einziger Freund des
Toten, «aber er konnte sich von keinem Chef etwas sagen lassen».
All seine Ziele – er hatte als Jugendlicher selbst vergeblich ver-
sucht, Boxer zu werden – projizierte L. fortan auf seinen Sohn. Mario
war neun Jahre alt, als der Vater ihm die Fausthandschuhe überzog, «um
seine Reaktionen zu testen». 1994 wurde er schließlich auf die Sport-
schule «Werner Seelenbinder» und zum SC Berlin ins Sportforum Ho-
henschönhausen geschickt.
Die ehemalige Ost-Berliner Medaillenschmiede, zu SED-Zeiten
der Stasi-Club Dynamo, hat unter anderem Spitzensportler wie Franziska
van Almsick und Jan Ullrich geformt. Sie machten aus ihrem Talent nach
der Wende Millionen. Also ließ auch L. seinen Sohn hier drillen, aus ihm
sollte «mal was werden» – ein Profiboxer mit lukrativen Sponsoren-
Verträgen.
Sechs bis acht eineinhalbstündige Trainingseinheiten absolvierte
Mario hier jede Woche. Der schlaksige Junge (letztes Wettkampfgewicht
bei 1,70 Meter Körpergröße: 48 Kilogramm) wurde dreimal Berliner
Meister, war auf dem Sprung in die A-Jugend-Nationalmannschaft. Als
Experten seine enormen technischen Fertigkeiten lobten, reagierte das
Talent ungläubig: «Wirklich? Der Papa sagt so etwas nie.»
Dem ins Boxen vernarrten Vater, Fan von weniger eleganten Pro-
fi-Punchern wie Mike Tyson, waren die Erfolge des hochbegabten Soh-
nes nie genug. Als der Fliegengewichtler im November vorigen Jahres
bei den Internationalen Deutschen A-Jugend-Meisterschaften Bronze
gewann, wurde Mario zu Hause als «Pflaume» gehänselt.
Dieter L. schottete auch seinen Sohn ab, verbot den Besuch von
Freunden in der Wohnung und bestrafte Zuspätkommen. Vor vier Wo-
chen kam Mario mit blauem Auge und einer Platzwunde an der Stirn in
Deutschland bermann Staubreste auf Schränken und Scheuerleisten mit Prügel für die Ehefrau bestraft und wegen Schlägereien eingesessen. Die Gewalt- tätigkeit steigerte sich noch im selben Maß, wie L. nicht mit seinem sozi- KRIMINALITÄT alen Abstieg nach der Wende zurechtkam. Blutiges Finale Aus dem in der DDR mit 1800 bis 2000 Mark hochbezahlten Fens- Ein Boxfanatiker wollte seinen Sohn zum Champion drillen. Aus terputzer mit kurzen Arbeitszeiten war ein Geringverdiener mit Schicht- Verzweiflung erschlug das Berliner Talent den Vater im Schlaf. dienst und immer neuen Arbeitgebern geworden. L. sei ein «guter und akkurater Arbeiter» gewesen, sagt Ronald Pritsche, einziger Freund des Nach Mitternacht schleicht sich Mario in der Zweieinhalbzimmer- Toten, «aber er konnte sich von keinem Chef etwas sagen lassen». Plattenbau-Wohnung aus dem Ehebett, das er mit seinem Vater teilen All seine Ziele – er hatte als Jugendlicher selbst vergeblich ver- muß. Der schmächtige Junge, eines der größten deutschen Boxtalente, sucht, Boxer zu werden – projizierte L. fortan auf seinen Sohn. Mario verschwindet in seinem Zimmer, das er für Schularbeiten und Krafttrai- war neun Jahre alt, als der Vater ihm die Fausthandschuhe überzog, «um ning nutzt. Hier greift er die Kurzhantel, geht zurück ins Schlafzimmer - seine Reaktionen zu testen». 1994 wurde er schließlich auf die Sport- und zertrümmert seinem schlafenden Vater mit mehreren Schlägen den schule «Werner Seelenbinder» und zum SC Berlin ins Sportforum Ho- Schädel. henschönhausen geschickt. Gegen zwei Uhr morgens stirbt am vorvergangenen Freitag in Ber- Die ehemalige Ost-Berliner Medaillenschmiede, zu SED-Zeiten lin-Hohenschönhausen der arbeitslose Glas- und Gebäudereiniger Dieter der Stasi-Club Dynamo, hat unter anderem Spitzensportler wie Franziska L., 51, «infolge stumpfer Gewalt gegen den Kopf», wie es später im Ob- van Almsick und Jan Ullrich geformt. Sie machten aus ihrem Talent nach duktionsbericht heißt. der Wende Millionen. Also ließ auch L. seinen Sohn hier drillen, aus ihm Mario, 16, zeigt am Morgen noch Freunden die blutverschmierte sollte «mal was werden» – ein Profiboxer mit lukrativen Sponsoren- Hantel, dann verschwindet er. Am Abend nimmt die Polizei den Jungen Verträgen. unweit des Hauses in der trostlosen Betonsiedlung fest. Sechs bis acht eineinhalbstündige Trainingseinheiten absolvierte 40 Seiten umfaßt das Protokoll der ersten Vernehmung des Flie- Mario hier jede Woche. Der schlaksige Junge (letztes Wettkampfgewicht gengewichtlers, der zum Totschläger wurde. Es ist die Geschichte eines bei 1,70 Meter Körpergröße: 48 Kilogramm) wurde dreimal Berliner kleinen Boxers, der nicht nur im Ring siegen, sondern auch seinen Vater Meister, war auf dem Sprung in die A-Jugend-Nationalmannschaft. Als vom Makel des sozialen Verlierers befreien sollte - und an der Last zer- Experten seine enormen technischen Fertigkeiten lobten, reagierte das brach. Talent ungläubig: «Wirklich? Der Papa sagt so etwas nie.» Mario, sagt seine Anwältin Evelyn Ascher, sei nach seiner Verhaf- Dem ins Boxen vernarrten Vater, Fan von weniger eleganten Pro- tung offenbar «so froh gewesen, daß endlich überhaupt jemand mit ihm fi-Punchern wie Mike Tyson, waren die Erfolge des hochbegabten Soh- spricht, daß er sich dabei um Kopf und Kragen geredet hat». Wirklich nes nie genug. Als der Fliegengewichtler im November vorigen Jahres realisiert habe er «das Ganze aber noch nicht». bei den Internationalen Deutschen A-Jugend-Meisterschaften Bronze Das blutige Finale des Vater-Sohn-Konflikts hatte niemand kom- gewann, wurde Mario zu Hause als «Pflaume» gehänselt. men sehen - weder die Lehrer noch die Trainer, noch Nachbarn oder Dieter L. schottete auch seinen Sohn ab, verbot den Besuch von Freunde. Freunden in der Wohnung und bestrafte Zuspätkommen. Vor vier Wo- Dabei galt Dieter L. überall als zynischer Eigenbrötler, den Alko- chen kam Mario mit blauem Auge und einer Platzwunde an der Stirn in hol äußerst streitsüchtig und brutal machte. Schon früher hatte der Sau- 31 32
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