Германия: дети в семье и на улице (по материалам современной немецкой прессы). Коноваленко И.В - 19 стр.

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tät der Familien (...) Es müßte eine gesellschaftliche Verpflichtung sein,
diesen Jugendhilfebereich stärker auszubauen».
Aber gerade am Nachmittag brauchen die Kinder und Jugendli-
chen Raum für ihre Phantasie, ihre persönlichen Interessen, Hilfe und
angemessene pädagogische Betreuung. Doch der Spielraum wurde über
Jahrzehnte insbesondere in den urbanen Ballungsräumen dem Auto, dem
Profit, den Trabantenstädten, dem Ordnungs- und Gestaltungssinn der
Erwachsenenwelt geopfert. Pro Kind rechnen zum Beispiel die Planer
einen Quadratmeter Spielfläche, pro Auto sieben. «So einfache Dinge
wie Ballspielen, Radfahren oder Rollschuhlaufen sind für Kinder gefähr-
lich geworden», weil «der Autoverkehr sämtliche Lebensbereiche seiner
eigenen Logik unterworfen hat», stellt der Kinder-Report fest.
Kinder werden zunehmend in Reservate zurückgedrängt, zu denen
sie – meistens im Auto der Mutter – transportiert werden müssen. Diese
Spielinseln sind perfekt von den Erwachsenen geplant. Schon in den 60er
Jahren aber beobachteten die Wissenschaftler Heizer und Benner, daß auf
diesen verplanten Plätzen – mit Schaukel, Klettergerüst und Rutsche –
mehr als die Hälfte aller Spielabläufe weniger als fünf Minuten dauert.
Und «Kinder wehren sich gegen Spiel- und Freizeitangebote, die ihre
Aktivitäten festlegen, vorherbestimmen oder vorwegnehmen», kom-
mentieren Ernst und Stampfel die Trostlosigkeit dieser verordneten und
oft lieblosen Geräteansammlung. Teure Abstellflächen für unseren
Nachwuchs schaffen den Planern ein ruhiges Gewissen, den Kindern nur
Frust.
Kinder suchen trotz oder gerade wegen der ihnen von den Erwach-
senen zugewiesenen Spiel- und Erlebnisreservate ihr Abenteuer. So spie-
len «in bundesdeutschen Hochhaus- und Trabanten-Siedlungen die
Neun- bis Vierzehnjährigen mit erstaunlicher Ausdauer und Phantasie
gegen die vorgefertigte Umwelt an», faßt der Kinder-Report Spiele in
Tiefgaragen, auf Parkplätzen und Baustellen zusammen. Insbesondere
für die sozial schwachen Familien kann die Nähe ihrer Kinder zur De-
struktion und «kleinen» Kriminalität zur Gefahr werden.
«Seit den 80er Jahren», so weiß der Kinder-Report zu berichten,
«versuchen unterschiedlichste Bürger-, Eltern- und Stadtteilinitiativen
ungeplante Freiräume für sich und ihre Kinder zurückzugewinnen.»
Auch die heute etwa 350 Jugendfarmen und Aktivspielplätze in der Bun-
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desrepublik Deutschland wollen den weggeplanten Kindern und Jugend-
lichen zwischen sechs und 18 Jahren Reservate für Phantasie, Verant-
wortung und Selbstbestimmung anbieten. Das Glück dieser Kinder kostet
die Gesellschaft pro Tag und pro Kind deutlich weniger als fünf DM, und
von Fachleuten wird die soziale Prophylaxe solcher Hinrichtungen hoch
eingeschätzt. Dagegen kostet ein Erwachsener, den die Gesellschaft – oft
wegen sozialer Fehlentwicklungen in der Kindheit – im Gefängnis hält,
den Staat pro Tag etwa 100DM.
Die Gründerin der ersten Jugendfarm in der Bundesrepublik, Thy-
ra Bochm, lebt seit 20 Jahren auf der Jugendfarm Elsental. Im Stuttgarter
Stadtteil Kaltental baute sie mit ihrem Mann diese erste Farm auf. Thyra
Bochm: «Es ist nichts weiter von uns geschehen, als daß wir nie ein Kind
weggejagt haben.»
Mit einigen Farm-Begeisterten gründet das Ehepaar Bochm am 8.
März 1972 in einem Ziegenstall in Stuttgart-Kaltental auch den Bund der
Jugendfarmen. Thyra Bochm beklagt nach rund dreißigjähriger Arbeit,
daß sich Kinder und Jugendliche in einer leeren Wohnung zusammenfin-
den, um sich einen Video-Film anzusehen, den ein Älterer besorgt hat.
«Wer sich zuerst übergeben muß, der muß den nächsten Film besorgen
und bezahlen. Das ist das Abenteuer, das sich unsere Kinder reinziehen.
Dies wird nicht bekämpft, weil es Profit bringt», bedauert Thyra Bochm.
Daß es hier nicht um exotische Einzelbeispiele geht, läßt eine im
Auftrag des nordrhein-westfälischen Sozialministeriums durchgeführte
Untersuchung vermuten, wonach die Drei- bis Sechsjährigen in vollstän-
dig verkabelten Haushalten täglich 55 Minuten vor den Fernsehapparaten
sitzen. Hier zeigt sich eine in der Tendenz negative «Verhäuslichung»
der Kindheit, wie es die Soziologen nennen.
In Bonn-Beuel besteht seit sechs Jahren eine dieser Einrichtungen
der offenen Jugendarbeit. Die bisher in Bonn einzige Jugendfarm wird
von einem Verein getragen. Auf rund 10 000 Quadratmetern mit 50 Tie-
ren – von Kaninchen bis zu Pferden –, Werkstatt, Bauspielplatz, Feuer-
stelle, Biotop und Garten haben täglich im Schnitt 60 bis 100 Kinder
freie Spielmöglichkeiten. Die pädagogische Betreuung leistet ein Team
von neun Mitarbeitern.
In der Beueler Jugendfarm «machen die Kinder hauptsächlich Er-
fahrungen mit elementaren Dingen wie Erde, Wasser und Feuer, aber
tät der Familien (...) Es müßte eine gesellschaftliche Verpflichtung sein,   desrepublik Deutschland wollen den weggeplanten Kindern und Jugend-
diesen Jugendhilfebereich stärker auszubauen».                               lichen zwischen sechs und 18 Jahren Reservate für Phantasie, Verant-
       Aber gerade am Nachmittag brauchen die Kinder und Jugendli-           wortung und Selbstbestimmung anbieten. Das Glück dieser Kinder kostet
chen Raum für ihre Phantasie, ihre persönlichen Interessen, Hilfe und        die Gesellschaft pro Tag und pro Kind deutlich weniger als fünf DM, und
angemessene pädagogische Betreuung. Doch der Spielraum wurde über            von Fachleuten wird die soziale Prophylaxe solcher Hinrichtungen hoch
Jahrzehnte insbesondere in den urbanen Ballungsräumen dem Auto, dem          eingeschätzt. Dagegen kostet ein Erwachsener, den die Gesellschaft – oft
Profit, den Trabantenstädten, dem Ordnungs- und Gestaltungssinn der          wegen sozialer Fehlentwicklungen in der Kindheit – im Gefängnis hält,
Erwachsenenwelt geopfert. Pro Kind rechnen zum Beispiel die Planer           den Staat pro Tag etwa 100DM.
einen Quadratmeter Spielfläche, pro Auto sieben. «So einfache Dinge                  Die Gründerin der ersten Jugendfarm in der Bundesrepublik, Thy-
wie Ballspielen, Radfahren oder Rollschuhlaufen sind für Kinder gefähr-      ra Bochm, lebt seit 20 Jahren auf der Jugendfarm Elsental. Im Stuttgarter
lich geworden», weil «der Autoverkehr sämtliche Lebensbereiche seiner        Stadtteil Kaltental baute sie mit ihrem Mann diese erste Farm auf. Thyra
eigenen Logik unterworfen hat», stellt der Kinder-Report fest.               Bochm: «Es ist nichts weiter von uns geschehen, als daß wir nie ein Kind
       Kinder werden zunehmend in Reservate zurückgedrängt, zu denen         weggejagt haben.»
sie – meistens im Auto der Mutter – transportiert werden müssen. Diese               Mit einigen Farm-Begeisterten gründet das Ehepaar Bochm am 8.
Spielinseln sind perfekt von den Erwachsenen geplant. Schon in den 60er      März 1972 in einem Ziegenstall in Stuttgart-Kaltental auch den Bund der
Jahren aber beobachteten die Wissenschaftler Heizer und Benner, daß auf      Jugendfarmen. Thyra Bochm beklagt nach rund dreißigjähriger Arbeit,
diesen verplanten Plätzen – mit Schaukel, Klettergerüst und Rutsche –        daß sich Kinder und Jugendliche in einer leeren Wohnung zusammenfin-
mehr als die Hälfte aller Spielabläufe weniger als fünf Minuten dauert.      den, um sich einen Video-Film anzusehen, den ein Älterer besorgt hat.
Und «Kinder wehren sich gegen Spiel- und Freizeitangebote, die ihre          «Wer sich zuerst übergeben muß, der muß den nächsten Film besorgen
Aktivitäten festlegen, vorherbestimmen oder vorwegnehmen», kom-              und bezahlen. Das ist das Abenteuer, das sich unsere Kinder reinziehen.
mentieren Ernst und Stampfel die Trostlosigkeit dieser verordneten und       Dies wird nicht bekämpft, weil es Profit bringt», bedauert Thyra Bochm.
oft lieblosen Geräteansammlung. Teure Abstellflächen für unseren                     Daß es hier nicht um exotische Einzelbeispiele geht, läßt eine im
Nachwuchs schaffen den Planern ein ruhiges Gewissen, den Kindern nur         Auftrag des nordrhein-westfälischen Sozialministeriums durchgeführte
Frust.                                                                       Untersuchung vermuten, wonach die Drei- bis Sechsjährigen in vollstän-
       Kinder suchen trotz oder gerade wegen der ihnen von den Erwach-       dig verkabelten Haushalten täglich 55 Minuten vor den Fernsehapparaten
senen zugewiesenen Spiel- und Erlebnisreservate ihr Abenteuer. So spie-      sitzen. Hier zeigt sich eine in der Tendenz negative «Verhäuslichung»
len «in bundesdeutschen Hochhaus- und Trabanten-Siedlungen die               der Kindheit, wie es die Soziologen nennen.
Neun- bis Vierzehnjährigen mit erstaunlicher Ausdauer und Phantasie                  In Bonn-Beuel besteht seit sechs Jahren eine dieser Einrichtungen
gegen die vorgefertigte Umwelt an», faßt der Kinder-Report Spiele in         der offenen Jugendarbeit. Die bisher in Bonn einzige Jugendfarm wird
Tiefgaragen, auf Parkplätzen und Baustellen zusammen. Insbesondere           von einem Verein getragen. Auf rund 10 000 Quadratmetern mit 50 Tie-
für die sozial schwachen Familien kann die Nähe ihrer Kinder zur De-         ren – von Kaninchen bis zu Pferden –, Werkstatt, Bauspielplatz, Feuer-
struktion und «kleinen» Kriminalität zur Gefahr werden.                      stelle, Biotop und Garten haben täglich im Schnitt 60 bis 100 Kinder
       «Seit den 80er Jahren», so weiß der Kinder-Report zu berichten,       freie Spielmöglichkeiten. Die pädagogische Betreuung leistet ein Team
«versuchen unterschiedlichste Bürger-, Eltern- und Stadtteilinitiativen      von neun Mitarbeitern.
ungeplante Freiräume für sich und ihre Kinder zurückzugewinnen.»                     In der Beueler Jugendfarm «machen die Kinder hauptsächlich Er-
Auch die heute etwa 350 Jugendfarmen und Aktivspielplätze in der Bun-        fahrungen mit elementaren Dingen wie Erde, Wasser und Feuer, aber


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