Лексикология немецкого языка. Солодилова И.А. - 108 стр.

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23).
Im Fall von Kreuzbein handelt es sich nicht um eine genaue Glied-für-Glied-
Über-setzung (oder Lehnübersetzung), sondern um eine Lehnübertragung aus lat. os
sa-crum (>heiliger Knochen<). Für Ferner/Staubesand (1982, S. 378) bleibt unklar,
warum das Lateinische die griechische Bezeichnung hierön osteön (>der gewaltige
große Knöchern) als sacrum >heilig< wiedergibt, denn os sacrum habe mit dem
Symbol des Christentums nichts zu tun. Die Bedeutung von griech. hierön in dieser
Wendung scheint aber nicht >gewaltig, groß< zu sein, sondern >heilig< (vgl. Andre,
1991, S. 198). Unter dieser Voraussetzung entspräche lat. os sacrum in der Semantik
vollkommen dem griech. Terminus hierön osteön. Die Erklärung, warum das
Kreuzbein in der griechischen Antike ein >heiliger Knochen< war, muss man in der
mythologischen Tradition suchen. Andre (1991, S. 199) schreibt:
»Comme, dune (acon g£ndrale, hierös et sacer expriment cc qui appartient aux
dieux, Isi-dorc l'explique par lc fait que c'cst le premicr os du ftttus et par suilc le
premier offert aux dieux dans les sacrifiecs [...]. II est de fait que cellc partie du corps
des viclimcs figurait parrai les offrandes aux dieux citdes par Arnobe [...].«
Die alte deutsche Bezeichnung für Kreuzbein ist mhd. erhabenheit, weil man
am Ende des Pferderückens zwischen den beiden Hüften eine Wölbung sah.
Durch einige Lehnzusammensetzungen finden dialektale Bestandteile Eingang
in die Standardsprache. Bei der Lehnübertragung Zwerchfell (16. Jh.) ist das erste
Korh-positionsglied zwer als Präposition nur auf das oberdeutsche Gebiet beschränkt,
während das standardsprachliche quer aus Mitteldeutschland stämmig ist. Zwerchfell
ist eine Lehnübertragung aus lat. diaphragma (>Scheidewand, Grenzwand,
Zwerchfells zu griech. diaphrässein >durch eine Scheidewand trennen<, phrässein
>abtrennen<).
In der deutschen Gegenwartssprache besteht bei spezifischeren
Körperteilbezeichnungen eine Reihe von Dubletten als Ergebnis einerseits einer
Lehnübersetzung/ -bedeutung, andererseits infolge der Beibehaltung des Fremd-
/Lehnwortes (z.B. Sphinkter neben Schließmuskel', Iris neben Regenbogenhaut;
Vagina neben Scheide u.a.). Es kann aber auch vorkommen, dass sich die
Germanisierung durch Lehnübersetzung nicht durchsetzt; so gelang es der frühnhd.
Lehnübersetzung kindlin im aug aus lat. püpilla nicht, sich neben Pupille zu
behaupten.
Bei Lehnbedeutungen springt die Anlehnung lateinischer Begriffe an die
Pflanzenwelt ins Auge. Dem lateinischen Modell folgend übernehmen insbesondere
ab dem 16. Jh. deutsche Pflanzenteil- und Fruchtnamen die fremde Bedeutung eines
Körperteils aufgrund ihrer äußeren Ähnlichkeit mit diesem:
- Zäpfchen (zu Zupfen) erscheint in der Form Gaumenzäpfchen in
Anknüpfung an lat. uvula (ursprünglich >kleine Traube<), da das mit mhd. zapfe
verwandte mhd. Wort zepfe die Bedeutung >Traube< aufweist;
- Eichel (>Vorderteil des Penis<) zeigt die übertragene Bedeutung von lat.
glans (ursprünglich >Eichel<) aufgrund der eichelähnlichen Form des Körperteils;
- Rinde übernimmt die Bedeutung >äußere Schicht bestimmter Organe, z.B.
des Hirns, der Niere< vom lat. cortex (ursprünglich >Borke<).
Außer Lehnübersetzungen, -Übertragungen und -bedeutungen weist das
23).
       Im Fall von Kreuzbein handelt es sich nicht um eine genaue Glied-für-Glied-
Über-setzung (oder Lehnübersetzung), sondern um eine Lehnübertragung aus lat. os
sa-crum (>heiliger Knochen<). Für Ferner/Staubesand (1982, S. 378) bleibt unklar,
warum das Lateinische die griechische Bezeichnung hierön osteön (>der gewaltige
große Knöchern) als sacrum >heilig< wiedergibt, denn os sacrum habe mit dem
Symbol des Christentums nichts zu tun. Die Bedeutung von griech. hierön in dieser
Wendung scheint aber nicht >gewaltig, groß< zu sein, sondern >heilig< (vgl. Andre,
1991, S. 198). Unter dieser Voraussetzung entspräche lat. os sacrum in der Semantik
vollkommen dem griech. Terminus hierön osteön. Die Erklärung, warum das
Kreuzbein in der griechischen Antike ein >heiliger Knochen< war, muss man in der
mythologischen Tradition suchen. Andre (1991, S. 199) schreibt:
       »Comme, dune (acon g£ndrale, hierös et sacer expriment cc qui appartient aux
dieux, Isi-dorc l'explique par lc fait que c'cst le premicr os du ftttus et par suilc le
premier offert aux dieux dans les sacrifiecs [...]. II est de fait que cellc partie du corps
des viclimcs figurait parrai les offrandes aux dieux citdes par Arnobe [...].«
       Die alte deutsche Bezeichnung für Kreuzbein ist mhd. erhabenheit, weil man
am Ende des Pferderückens zwischen den beiden Hüften eine Wölbung sah.
       Durch einige Lehnzusammensetzungen finden dialektale Bestandteile Eingang
in die Standardsprache. Bei der Lehnübertragung Zwerchfell (16. Jh.) ist das erste
Korh-positionsglied zwer als Präposition nur auf das oberdeutsche Gebiet beschränkt,
während das standardsprachliche quer aus Mitteldeutschland stämmig ist. Zwerchfell
ist eine Lehnübertragung aus lat. diaphragma (>Scheidewand, Grenzwand,
Zwerchfells zu griech. diaphrässein >durch eine Scheidewand trennen<, phrässein
>abtrennen<).
       In der deutschen Gegenwartssprache besteht bei spezifischeren
Körperteilbezeichnungen eine Reihe von Dubletten als Ergebnis einerseits einer
Lehnübersetzung/ -bedeutung, andererseits infolge der Beibehaltung des Fremd-
/Lehnwortes (z.B. Sphinkter neben Schließmuskel', Iris neben Regenbogenhaut;
Vagina neben Scheide u.a.). Es kann aber auch vorkommen, dass sich die
Germanisierung durch Lehnübersetzung nicht durchsetzt; so gelang es der frühnhd.
Lehnübersetzung kindlin im aug aus lat. püpilla nicht, sich neben Pupille zu
behaupten.
       Bei Lehnbedeutungen springt die Anlehnung lateinischer Begriffe an die
Pflanzenwelt ins Auge. Dem lateinischen Modell folgend übernehmen insbesondere
ab dem 16. Jh. deutsche Pflanzenteil- und Fruchtnamen die fremde Bedeutung eines
Körperteils aufgrund ihrer äußeren Ähnlichkeit mit diesem:
       -   Zäpfchen (zu Zupfen) erscheint in der Form Gaumenzäpfchen in
Anknüpfung an lat. uvula (ursprünglich >kleine Traube<), da das mit mhd. zapfe
verwandte mhd. Wort zepfe die Bedeutung >Traube< aufweist;
       - Eichel (>Vorderteil des Penis<) zeigt die übertragene Bedeutung von lat.
glans (ursprünglich >Eichel<) aufgrund der eichelähnlichen Form des Körperteils;
       - Rinde übernimmt die Bedeutung >äußere Schicht bestimmter Organe, z.B.
des Hirns, der Niere< vom lat. cortex (ursprünglich >Borke<).
       Außer Lehnübersetzungen, -Übertragungen und -bedeutungen weist das

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